: Herbert Friedrich
: Der stärkste Regen fängt mit Tropfen an Erzählungen
: EDITION digital
: 9783965215061
: 1
: CHF 7.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 195
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
In sieben dramatischen Erzählungen aus der Zeit von 1936 bis 1946 stellt der Autor junge Menschen vor bedeutsame, meist für sie oder andere lebensbedrohliche Entscheidungen. 1936, im faschistischen Deutschland, versteckt Hannelore ihren Bruder, der Flugblätter gedruckt und verteilt hat, vor den Häschern - und vor dem Vater. Zwei Partisanen springen im Hinterland der von den Deutschen besetzten Sowjetunion mit dem Fallschirm ab, um mit Hilfe der kleinen Partisanenabteilung das Kesselhaus mit dem Stab der Panzerarmee zu sprengen und die Bevölkerung nicht zu gefährden. Gefangene Wehrmachtssoldaten, die vor Ihrer Aburteilung stehen und denen Tod oder Strafkompanie drohen, erhalten durch Zufall die Chance, das Leben eines Kameraden zu retten. Junge Menschen des Reichsarbeitsdienstes helfen ihren Vorgesetzten, einen sensiblen Musikstudenten psychisch und physisch zu quälen. Junge Soldaten, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, kommen zur Partisanenbekämpfung auf einen einsamen slowakischen Bauernhof. In der kasachischen Steppe warten im Mai 1945 junge Männer auf die Nahrungslieferung. Hungern sie weiter oder tasten sie die Saatkartoffeln an? Da hören sie im Radio die Siegesparade auf dem Roten Platz. In einem deutschen Kohlebergwerk wird das Leben der in der Nachkriegszeit hungernden Bergleute durch Diebstahl, Pfusch und Gleichgültigkeit bedroht.

Geboren am 7. August 1926 in Zschachwitz. Volksschule in Dresden, Lehrerbildungsanstalt in Frankenberg. Ab 1944 Wehrmachtssoldat, von 1945 bis 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft in Mittelasien. 1950 war er zunächst Hilfsarbeiter, dann Lehrer in Lohmen/Pirna und in Dresden. 1957 legte er das Staatsexamen ab und studierte von 1958 bis 1961 am Literaturinstitut 'Johannes R. Becher' in Leipzig. Seit 1961 freischaffender Schriftsteller in Dresden. Auszeichnungen Martin-Andersen-Nexö-Kunstpre s der Stadt Dresden 1966 Alex-Wedding-Preis 1973
Die Frau faltete die Hände um die Schüssel und blickte Nikolai Petrow, den Kranken, den Fallschirmspringer, Partisan, mit klaren Augen an. Sie sprach kein Wort, aber ihre Augen sagten ihm, dass es aus sei mit ihnen, mit allen hier, mit der ganzen Familie des Heizers, wenn die Feinde den kranken Partisan fänden und seinen Sprengstoff und entdeckten, was sie vorhatten. 'Es hat mich keiner gesehen', sagte Nikolai beruhigend. Und der Heizer sagte: 'Hinterm Haus, da haben wir einen Schuppen mit einem Boden. Dort kannst du im Heu liegen und deinen Fuß kurieren.' Die Frau ging schon hinaus und kam bald herein. Ihr stummer Blick sagte, alles sei vorbereitet. Sie lehnte am Fenster, als Nikolai davonhumpelte, als sei sie erleichtert, dass er nun das Haus verließe. Sie hatte noch kein Wort gesagt. Schwer auf den Heizer gestützt, hinkte er die wenigen Schritte bis zum Schuppen. Wie hatte er es ausgehalten, so lange durch den Wald zu laufen? 'Vielleicht gehe ich doch wieder ...', sagte er und dachte an die Frau, auch an die Kinder, die er noch nicht gesehen hatte. 'Mit dem Sprengstoff', setzte er hinzu. Malinin lehnte ab, heftig. 'Daraus wird nichts. Ohne mich bekommt ihr das Kesselhaus nicht in die Luft.' 'Deine Frau aber ...?', sagte Nikolai, da kroch er schon die Leiter hinauf. Das Heu duftete, es roch auch nach dem Teer des Daches. 'Raja hilft uns', sagte der Heizer knapp. 'Die Partisanen holen euch in die Wälder', sagte der Fallschirmspringer, 'vorher noch, deine Frau und die Kinder.' Ächzend lag er da, und er wusste, er hatte die Verbindung zu der kleinen Partisanenabteilung selber noch nicht aufgenommen, hatte Anna noch nicht gefunden und lag hier, bewegungslos. Sie berieten die Nacht über, allein, ohne die Frau. Mit jedem Wort und auch in dem Schweigen spürte der Partisan, wie schwer es dem Heizer fiel, all dies hier aufzugeben, sein Häuschen, den Garten, das Dorf. Aber das war das Wenigste. Am schwersten fiel es ihm, das Kesselhaus zu sprengen. 'Ich weiß, dass ich's tu', sagte er, 'aber leicht ist es nicht.' Es stand noch keine zehn Jahre. Mit Mühe hatten sie es errichtet; es war der Stolz des Ortes. Aber jetzt nistete der Panzerstab darin. Man musste die Ratten vernichten. 'Keiner kommt in das Kesselhaus', sagte er. 'Nur ich als Heizer. Doppelte Wachen überall, da gibt es keinen Durchschlupf.' Aber der Heizer Grischa Malinin wusste noch jemand, der hineingelangte. Die Kinder. Mit dem Mittagessen. Jeden Tag brachten sie es ihm, Sommer wie Winter. Fedja, der Große, war jetzt elf, und er hatte es schon vor fünf Jahren zu Vater getragen. Und Mascha, die Neunjährige, konnte sich keinen Mittag denken ohne den Gang zum Kesselhaus. 'Du kannst nicht die Kinder schicken', sagte der Partisan. Grischa redete. Er saß im Heu, während er die Frau am Fenster stehen wusste, wie sie nach den Deutschen spähte. Und noch schwerer, als das Kesselhaus in die Luft zu sprengen, fiel ihm, seine Kinder mit dem Sprengstoff ins Kesselhaus zu schicken. Aber kamen sie nicht jahrelang, Mittag für Mittag. Konnten nicht die Umwohnenden ihre Uhr danach stellen, so pünktlich erschienen sie? Waren nicht die faschistischen Soldaten an die Kinder gewöhnt? 'Nie werden sie entdeckt', sagte Grischa. Und es blutete ihm das Herz, dass er seine Kinder schicken musste.