1.
In der Hitze der Nacht
2:11 Uhr: Ich wache auf, mein Herz hämmert, Hitze strömt aus meinem Bauch in den Kopf, lässt mein Gesicht glühen und strahlt aus meinem Schädel aus. Ich sehe, wie eine Lampe mit rosa Schirm aus dem Fenster meines Nachbarn schwebt und über meinem dunklen Garten verharrt.
Eine Stunde später werde ich wieder wach, dieses Mal in der Aura vor der Hitzewallung. Egal, in welcher Stimmung ich gerade bin, diese Auren lassen mich jedes Mal ein unwirkliches Déjà-vu erleben, wie der »Stachel im Fleisch«, von dem Paulus schrieb: Alles ist wie eingefroren, alles ist falsch. Es fühlt sich an, als würde ein Splitter einer anderen, dunkleren Wirklichkeit meine eigene durchdringen.
Auren sind nicht so verbreitet wie Hitzewallungen, trotzdem haben viele der Frauen, die ich befragte1, von ihnen berichtet. »Etwa eine Minute bevor die Hitze kommt, fühle ich mich von einem Moment auf den anderen ganz furchtbar«, erzählte mir eine Frau. Eine andere beschrieb, es werde gespenstisch still, bevor sie ein verstörendes Gefühl befalle: »Ich werde innerlich ganz ruhig, und dann bekomme ich schreckliche Angst.« Eine weitere Frau fühlt sich wie im freien Fall: »Es ist, als würde ich in einem Fahrstuhl schnell nach unten fahren, mir wird ganz flau, richtig übel, ich fühle mich seltsam schwach, dann kommt die Hitze.«
Ich schlage meine Decken zurück und spüre in diesem ersten Moment gespenstischer Ruhe ein Feuer, das von meinen Organen auf die Muskeln und die Haut übergreift. Ich würde am liebsten weglaufen, aber wohin soll man vor seinem eigenen Körper fliehen? Jedes Haar ist eine dünne Stromleitung, die meinen Kopf erhitzt.
Ich weiß, was gleich passiert, und ich weiß, dass es bizarr wird. Ich springe auf, laufe in die Küche, fülle ein Glas mit kaltem Wasser und trinke es in einem Zug aus. Aus dem Eisfach hole ich ein Päckchen Mais, drücke es mir an die Brust und starre aus dem Fenster. Im Garten weht das Laub in die eine, dann in die andere Richtung. Ich lege mich wieder hin, doch die Körperwärme meines Mannes ist mir zu gefährlich. Im verlassenen Zimmer meiner Tochter lege ich mich in ihr Bett, umgeben von Postern von Indie-Bands und Fotos ihrer Freundinnen aus der Highschool. Die dicke Bettdecke löst die nächste Hitzewallung aus. Sie beginnt mit der Stille, dem »unheilvollen Gefühl«, das eine Frau beschrieb. Ich fühle mich, als wäre ich nicht mehr Teil der beständigen, normalen Wirklichkeit, sondern in meiner eigenen Körperlichkeit gefangen. Paulus, der möglicherweise an Epilepsie litt, meinte, in seinen Auren den Himmel zu erahnen. Nicht klischeehafte Sphären mit Engeln auf bauschigen Wolken, sondern ein Jenseits in rauer, ungezügelter Pracht. Ich reiße das Fenster auf. Die Hitze durchfährt mich wie ein Wüstenwind. Mein Fleckchen Erde dreht sich der Sonne zu, es wird wärmer. Schon die paar Grad Unterschied durch das offene Fenster können die nächste Wallung auslösen.
So, wie ich während meiner Schwangerschaft Gerüche stärker wahrnahm, reagiert mein Körper jetzt empfindlich auf kleinste Temperaturschwankungen. Wenn mir die Kellnerin im Restaurant das Essen serviert, zum Beispiel die Portion Rühreier neul