1. Bethany’s Revenge
Im Gegensatz zur Raumstation brüllte die Revenge. Viel lauter als der Frachter, mit dem sie nach Kopernikus gereist waren. Ein älteres Modell? Cap hatte keine Ahnung. Das Vibrieren des Bodens schien sich auf alles zu übertragen, was er berührte, auf was er sich setzte. Es kam ihm vor, als ob die Pritsche unter seinem Hintern bebte. Garantiert auch nur Einbildung. Nach den Geschehnissen auf der Station brauchte er einfach Zeit, um wieder klar denken zu können. Das war alles.
Schalter, Hebel und Knöpfe wirkten hier altmodisch auf ihn. Auf Kopernikus war er es gewohnt gewesen, dass die Technik auf einen leichten Druck seiner Finger hin reagierte. Dass ihn die KI mit Namen ansprach, nachdem sie seine Iris gescannt hatte. Hier musste er sich selbst auf die Handbewegungen konzentrieren, mit denen er zum Beispiel die Zugänge zur Pilotenkabine, zur Quartierhalle oder zur Bordküche öffnete.
Mit leerem Blick starrte Cap auf die graue Stoffbespannung des Raumteilers vor sich, eine von vielen, die im Frachtraum der Bethany’s Revenge so etwas wie Privatsphäre schaffen sollten. Die Einzige, die ein eigenes Quartier bewohnt hatte, war Big Bethany selbst, doch dieses hatte sie als Besprechungsraum und Kommandozentrale zur Verfügung gestellt. Dimitri, ihre rechte Hand, hatte es sich schon vor dem Crewzuwachs zwischen Transportkisten bequem gemacht.
Caps Gedanken schweiften. Hong war tot. Cap hätte den Geschäftsführer von SpaceSeed lieber in irgendeinem Gefängnis verrotten sehen, als dessen Einzelteile für alle Zeiten in den Weiten der Galaxis verstreut zu wissen. Kindesentführung, illegale Adoptionen, Vertragsbruch mit der NH, Betrug an der Erdbevölkerung … Gewiss hatten sie nur an der Oberfläche von Hongs Machenschaften gekratzt, aber schon dafür hätte er weitaus mehr verdient gehabt als einen schnellen Tod.
»Geht’s dir gut?« Larissa stand neben Cap, eine Tasse in der Hand. »Ich hab dir was mitgebracht.«
»Weizenmilch?«
Grinsend schüttelte sie den Kopf. »Irgendein Kaffeeersatz. Weizenprodukte sind reglementiert. Die Pilotin hat da ein Auge drauf. Sie selbst gönnt sich ab und an mal ein Glas Milch, habe ich läuten hören. Für uns ist wieder Lagernahrung angesagt.«
»Genau wie Lageratmosphäre. Harte Betten und Mannschaftsquartiere.« Cap deutete mit dem Kinn auf den Paravent vor ihm.
Sie lachte. »Sich hier einzuleben fällt uns nicht schwer, oder?«
»Nicht unter dem Gesichtspunkt.« Er nahm die Tasse entgegen, nippte vorsichtig an der hellbraunen Flüssigkeit und verzog den Mund. »Oh Mann. Ich kann nicht behaupten, dass ich das vermisst habe.«
Larissa setzte sich neben ihn auf das Feldbett. »Nicht unter dem Gesichtspunkt?«, hakte sie nach. »Was soll das bedeuten?«
Er stellte die Tasse auf den Boden. »Wir sind auf einem umgebauten Frachter.«
»Und?«
»Auf dem Hiroyuki zusammen mit einer Frau das Sagen hat, die sich Big Bethany nennt …«
»… und die dem ›Big‹ alle Ehre macht«, ergänzte Larissa.
»Und über die wir nichts wissen. Vor allem nicht darüber, wie Hiroyuki gedenkt, gegen SpaceSeed vorzugehen. Was ist mit Ludd und seinen Leuten?«
»Du denkst zu viel nach.«
Er sah sie erstaunt an. »Du etwa nicht?«
Larissa zuckte mit den Schultern. »Ich halte Hiroyuki für jemanden, mit dem man reden kann, auch wenn’s verdammt nervenaufreibend ist. Wir werden gemeinsam eine Lösung finden.«
»Und das, nachdem er dir ins Bein geschossen hat.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich will nicht behaupten, dass er mein Seelenverwandter ist. Aber: Die Wunde ist gut verheilt. Ich spüre nichts mehr und finde, mein Einsatz hat sich gelohnt. Außerdem« – sie zögerte – »bei mir liegt der Fall anders als bei dir. Wohin sollte ich gehen? Auf mich wartet niemand auf der Erde. Zur Station zurückkehren kann ich nicht. Und selbst wenn ich’s könnte – nein, d