: Magda Trott
: Rosemarie das Heidekind Band 1 der Reihe
: Books on Demand
: 9783753435121
: 1
: CHF 2.40
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 151
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das hölzerne Schaf mit dem dicken Wollpelz war den Händen des kleinen Mädchens entglitten. Es lag auf der Erde. Eins der Vorderbeine war abgebrochen. Mit entsetztem Gesichtsausdruck schaute Rosemarie ihr Lieblingsspielzeug an. Sie wagte nicht, ihr Schäfchen aufzunehmen. Das kleine zierliche Mädchen stand mit herabhängenden Armen neben dem Spielzeug, das blasse Gesicht war vor Schreck noch weißer geworden. Die blauen Augen des Kindes füllten sich langsam mit Tränen. Schließlich kauerte Rosemarie neben dem zerbrochenen Tier nieder, barg das Lämmchen in ihrem Schoß und legte den blonden Kopf an das dichte grauweiße Fell."O du arme, liebe Schnucke", sagte sie mit trauriger Stimme,"tut es dir weh?" Und als Rosemarie den Bauch des Tieres drückte und das Lämmchen ein klägliches"bäääh" hören ließ, flossen wieder die Tränen."Schnucke - meine liebe Schnucke, die Tante macht dir das Beinchen wieder gesund. - Schnucke, komm, Tante Ella hilft dir." Rosemarie erhob sich, streichelte zärtlich das Fell des Tieres und schaute tiefbekümmert auf das zerbrochene Bein. Dann ging das vierjährige Mädchen hinaus in die Küche der kleinen Hamburger Wohnung, in der Tante Ella das Mittagessen bereitete. Rosemarie hielt ihr das Lämmchen hin."Tante Ella, die Schnucke ist kaputt gegangen; sie hat ein Bein gebrochen. - Ach, Tante Ella, mach meine liebe Schnucke wieder heil!" Die Tante, Frau Ella Poppe, blickte das Tier an und lächelte auf das kleine Mädchen nieder. Sie sah es der Nichte an, wie groß deren Leid war und wollte gerne helfen. Rosemarie, das einzige Kind ihres Bruders, war ihr sehr ans Herz gewachsen. Fast drei Jahre lang weilte Rosemarie nun schon im Hause ihres Onkels Erich und der Tante Ella. Der Vater der kleinen Rosemarie hatte ihnen sein Töchterchen in treue Obhut gegeben. Wo hätte er damals, vor drei Jahren, das zarte Kind auch lassen sollen? Ihm, dem Maler Konrad Deste, war in seinem Heidehause kein langes Glück beschieden gewesen. Nur zwei Jahre lebte er dort mit seiner jungen, zarten Frau, bis ihnen eine Tochter geboren wurde. Sie hatten das Kind, das im Heidehause mitten in der Lüneburger Heide zur Welt gekommen war, Rosemarie getauft, weil Vater und Mutter die Rosen über alles liebten. Den ganzen Sommer über blühten die Rosen in ihrem Garten."Rosemarie, unser Kind", sagte der glückliche Vater, als er zum ersten Male das Neugeborene in die Arme nahm. Aber die Mutter kränkelte, und als Rosemarie ein Jahr alt geworden war, riet der Arzt zu einem Aufenthalt ...

Magda Trott lebte von 1880 bis 1945 und war eine deutsche Schriftstellerin.

Ella hilft dir.«

Rosemarie erhob sich, streichelte zärtlich das Fell des Tieres und schaute tiefbekümmert auf das zerbrochene Bein. Dann ging das vierjährige Mädchen hinaus in die Küche der kleinen Hamburger Wohnung, in der Tante Ella das Mittagessen bereitete. Rosemarie hielt ihr das Lämmchen hin.

»Tante Ella, die Schnucke ist kaputt gegangen; sie hat ein Bein gebrochen. – Ach, Tante Ella, mach meine liebe Schnucke wieder heil!«

Die Tante, Frau Ella Poppe, blickte das Tier an und lächelte auf das kleine Mädchen nieder. Sie sah es der Nichte an, wie groß deren Leid war und wollte gerne helfen. Rosemarie, das einzige Kind ihres Bruders, war ihr sehr ans Herz gewachsen. Fast drei Jahre lang weilte Rosemarie nun schon im Hause ihres Onkels Erich und der Tante Ella. Der Vater der kleinen Rosemarie hatte ihnen sein Töchterchen in treue Obhut gegeben. Wo hätte er damals, vor drei Jahren, das zarte Kind auch lassen sollen? Ihm, dem Maler Konrad Deste, war in seinem Heidehause kein langes Glück beschieden gewesen. Nur zwei Jahre lebte er dort mit seiner jungen, zarten Frau, bis ihnen eine Tochter geboren wurde. Sie hatten das Kind, das im Heidehause mitten in der Lüneburger Heide zur Welt gekommen war, Rosemarie getauft, weil Vater und Mutter die Rosen über alles liebten. Den ganzen Sommer über blühten die Rosen in ihrem Garten.

»Rosemarie, unser Kind«, sagte der glückliche Vater, als er zum ersten Male das Neugeborene in die Arme nahm.

Aber die Mutter kränkelte, und als Rosemarie ein Jahr alt geworden war, riet der Arzt zu einem Aufenthalt im Schwarzwald. Konrad Deste, der seine Frau über alles liebte, bat schweren Herzens seine in Hamburg verheiratete Schwester Ella, für einige Monate sein Töchterchen zu sich zu nehmen, damit er die kranke Frau in den Schwarzwald begleiten könne.

An alles das dachte Tante Ella in diesem Augenblick, als sie in die feuchten Augen des Kindes sah. Das liebste Spielzeug der Kleinen war zerbrochen, das Spielzeug, das ihr der Vater, den Rosemarie kaum kannte, vor etwa einem Jahre gesandt hatte. Von Tante Ella wußte sie, daß das Lämmchen aus der Heide kam, daß es kein gewöhnliches Lämmchen, sondern eine Heidschnucke war, wie sie zu Hunderten in der Heide herumlaufen. Diese Schnucke war das liebste Spielzeug der kleinen Rosemarie; sie hütete es, und nun war heute das Unglück geschehen: die Schnucke hatte ein Bein gebrochen.

»Das Beinchen mache ich wieder gesund«, tröstete Tante Ella. »Weißt du noch, Rosemarie, du hattest dir im vorigen Jahre den Arm gebrochen. Dein Arm ist auch wieder ganz gesund geworden.«

»Ach, das hat aber weh getan! – Tut es der Schnucke auch so weh?«

»Nein, nein, mein Kind«, sagte Tante Ella, »das Beinchen der Schnucke ist viel kleiner als dein Arm, das Beinchen heilt auch viel schneller. Ich mache einen Verband, und bald ist deine liebe Schnucke wieder gesund. Ich hole den Leimtopf, wir bestreichen das Bein, und morgen kann deine Schnucke wieder stehen. – Aber nun komm mit ins Wohnzimmer, du mußt deine Milchsuppe essen.«

Zärtlich nahm die kleine Rosemarie das Spielzeug in den Arm, flüsterte tröstende Worte und setzte sich dann artig neben Tante Ella im Wohnzimmer an den Tisch. Auf Onkel Erich konnten sie nicht warten. Er war bis gegen sechs Uhr beschäftigt und kam immer erst zum Abendessen wieder nach Hause.

Heute beeilte sich Rosemarie mit der Milchsuppe ganz besonders. Der Gedanke, daß die Schnucke vielleicht doch Schmerzen haben könnte, ließ dem Kinde keine Ruhe. Kaum war der Teller mit der Milch ausgelöffelt, als Rosemarie der Tante erneut das Spielzeug hinhielt.

»Machst du sie nun gesund, die arme Schnucke?«

Tante Ella nickte.

Das Bein wurde angeleimt und ein Verband wurde angelegt. Rosemarie meinte, daß ihr Lämmchen nun schon wieder ganz gesund wäre.

»Nun stellen wir das Tierchen hier auf die Kommode. Dann will ich meiner kleinen Rosemarie einmal etwas sehr Schönes erzählen. – Komm zu mir, mein Liebling, du darfst dich auf meinen Schoß setzen.«

Sofort kam das Kind angelaufen, schlang zärtlich seine Ärmchen um den Hals der Tante und blickte ihr erwartungsvoll ins Gesicht. »Ich weiß, Tante«, sagte Rosemarie mit schelmischem Blinzeln der Augen, »jetzt erzählst du mir die schöne Geschichte vom Rotkäppchen und dem Wolf.«

»Nein, mein Kind, etwas viel Schöneres will ich dir erzählen.«

Rosemaries blaue Augen leuchteten. »Die Geschichte vom Schneeglöckchen, das ist die allerschönste Geschichte, die ich kenne. – Tante, soll ich dir die Geschichte mal erzählen?«

»Ich will dir auch die Geschichte vom Schneeglöckchen nicht erzählen.«

»Tante – sie ist aber so schön! – Höre mal zu: ›Da war ein kleines Blümchen, darauf lag der dicke Schnee. Da schüttelte es sich und guckte aus dem Schnee heraus. Und überall war