: Geri G
: Die Zukunft war auch schon mal besser
: Tredition
: 9783347687486
: 1
: CHF 3.20
:
: Science Fiction
: German
: 139
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Zukunft war auch schon mal besser Es hätte ein gemütliches Wochenende werden können, hier, in der Megacity München des Jahres 2115. Doch ein Drogentoter machte Polizeihauptkommissar Max Miller einen Strich durch die Rechnung. Alles sah eigentlich nach Selbstmord aus, doch der Fall erwies sich kniffliger und gefährlicher als gedacht. Um ihn zu lösen, müssen er und seine Kollegin Tina Meggle um die ganze Welt reisen, immer mit lästigen Verfolgern im Gepäck und nicht wissend, wer eigentlich Freund und wer Feind ist.

Auswärts

Das Bildtelefon klingelte. Max schreckte hoch. Mit einem Anruf hatte er heute nicht gerechnet. Er wollte an diesem Wochenende eigentlich in Ruhe gelassen werden. Träge und mies gelaunt, stapfte der Kommissar zum Sprechapparat im angrenzenden Wohnzimmer. Er blieb vor dem Gerät stehen und starrte einfach darauf, solange, bis das Geklingele aufhörte. Nach ein paar Sekunden tönte es erneut. Auf dem dunklen Display blinkte eine hellblaue Schrift permanent auf, die den Anrufer identifizierte. Es war das Kommissariat. Max seufzte, entschloss sich dann dennoch, den kabellosen Hörer abzunehmen. Fast wie in Zeitlupe setzte er ihn an seine rechte Ohrmuschel. „Ja, was gibt’s?“, fragte er missmutig. „Eine Leiche“, antwortete eine weibliche Stimme in einem fast schon beängstigend ruhigen Ton. Aber in einer Megacity wie München sind solche Delikte mittlerweile ein Tagesgeschäft für die hiesige Polizei geworden. „Kruzifix!“, schimpfte der Kommissar. „Ausgerechnet an diesem Wochenende!“ Aber Tote nehmen nun einmal keine Rücksicht auf Dienstpläne, denn eigentlich hätte Max heute seinen freien Tag gehabt und sein Stellvertreter war zudem im Urlaub. „Ich kann da auch nichts dafür“, sagte die weibliche Stimme verärgert. Es war seine Kollegin, Polizeioberkommissarin Tina Meggle. „Ja, klar! Schon gut. Tut mir Leid. Du kannst natürlich nichts dafür. Ach, Kruzifix nochmal!“ Miller schimpfte ein zweites Mal. Diesmal aus einem anderen Grund. Das Bildtelefon funktionierte nicht richtig. Kein Bild, nur Ton. „Man, du hast ja vielleicht schlechte Laune heute!“ „Ja, ja. Mich regt gerade bloß dieses blöde Telefon auf. Ich kann dich momentan nur hören nicht sehen, Tina.“ Seine Kollegin war, im Gegensatz zu ihm, absoluter Technikfan und sie konnte auch viele elektronische Geräte reparieren. Außerdem war sie ein Japan-Anhänger. Die Japaner sind schon seit dem 20. Jahrhundert wahre Meister der Alltags-Technisierung und Tina teilte mit den Asiaten ihre Begeisterung für Elektronik. Deshalb hatte sie sich auch nicht lumpen lassen, vor ein paar Monaten freiwillig an einem Polizeiseminar in Tokio teilzunehmen, wo sie sich gleich mit einer japanischen Kollegin anfreundete und Kontakt hielt. Ihr Japanisch, das sie vor zwei Jahren angefangen hatte zu lernen, war mittlerweile ganz passabel. „Max, wenn du öfter Probleme mit deinem Telefon hast, komm´ich vielleicht mal rüber und seh´s mir an! Vielleicht kann ich´s reparieren.“ „Ja, von mir aus.“ Max Stimmung wurde durch Tinas Hilfsbereitschaft nicht besser. Nichtsdestotrotz konnte er seine Kollegin gut leiden, eine engere Beziehung als die berufliche war aber bisher nicht entstanden. Sie war halb so alt wie er, hatte für Rothaarige die typischen Sommersprossen, war außerdem sehr fleißig und kontaktfreudig. Schon etwas genervt von Max schlechter Laune, redete sie schroff durchs Telefon: „Die Leiche liegt in der Bert-Brecht-Straße beim Äußeren Stadtgraben. Und anschließend kommst du in die Zentrale! Der Chef möchte dich sprechen, also beweg´ dich!“ „Ja, schon gut. Ich mach´ mich auf´n Weg.“ Max legte den kabellosen Hörer wieder zurück in die rechte Mulde des Bildtelefons. Insgeheim war er jetzt sauer auf sich selber. Er mochte Tina eben und wollte ihr gegenüber eigentlich nie übellaunig auftreten. Tsja, dafür war es nun zu spät. Er ging zurück ins Badezimmer, kämmte sich ordentlich und wusch sich nochmal richtig das Gesicht mit kaltem Leitungswasser aus.

Ein paar seiner Kollegen waren schon da. Zwei von ihnen unterhielten sich gerade, als Max mit einem TaA ankam, einem Taxi auf Anfrage oder „Neudeutsch“: COD, Cab On Demand. Er bezahlte mit seiner Kreditkarte und nicht wie die meisten Fahrgäste via Smartphone. Letzteres besaß Max nicht einmal. Selbstverständlich hatte die hiesige Polizei eigene Magnetschwebe-Fahrzeuge, aber das fahrerlose Taxi holte einen direkt vor der Haustür ab und Max war dadurch schneller am Tatort. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit schon aufgenommen und sogar die Leute von der Forensik erfreuten mit ihrer Anwesenheit. Die waren normalerweise immer die Letzten. Alle waren im Grunde in Zivilkleidung unterwegs, nur die Gerichtsmediziner hatten sich weiße Kittel übergestreift und beigefarbene Latexhandschuhe angezogen. Die Leiche lag am Kanalufer, auf einer grünen Wiese. Der Morgentau lag noch auf den Grashalmen, ein dünner Nebelfaden schwebte dort nur wenige Zentimeter über dem Erdboden und kämpfte tapfer gegen das stärker werdende Sonnenlicht. „So, was haben wir denn hier?“, fragte Max die zwei Männer von der Gerichtsmedizin. Seine Stimmung hatte sich durch den sonnigen Tag etwas gebessert. „Eine etwa 50 Jahre alte, männliche Leiche, stark abgemagert und offenbar mit Zahnproblemen.“ Der Mediziner öffnete dabei dem Toten den Mund, indem er mit Zeige- und Mittelfinger seiner Hände dessen Gebiss langsam auseinander schob. „Todeszeitpunkt etwa gestern Abend. Genaueres kann ich erst nach der Obduktion sagen.“ Na, das war immerhin schon ein bisschen was. Max betrachtete den Leichnam genauer. Da war so einiges seltsam an ihm. Es war Sommer und er hatte einen Mantel an, einen schwarz-weiß karierten Raglan-Mantel, um es genauer zu formulieren. So einen ähnlichen hatte er auch im Schrank. Die Ärmel bei diesem Kleidungsstück waren nicht an der Schulterpartie festgenäht, sondern am Hals. Dadurch war es leichter, ihn anzuziehen. Die Enden der schmutzigen, olivgrünen Cargohose waren stark ausgefranst. „Wohl ein Obdachloser“, dachte der Hauptkommissar. Der tote Mann war wirklich sehr dünn, vermutlich fror er sogar im Sommer und hatte deswegen einen Mantel an. Letztgenannter war weder ausgefranst noch besonders schmutzig und schien eher für eine Frau gedacht zu sein. Wahrscheinlich hatte er ihn irgendwo mitgehen lassen. Aber komischerweise trug er dabei keine festen Schuhe, sondern abgetragene Birkenstock-Sandalen ohne Socken. „Merkwürdig!“ Max Kollege Stefan von der Spurensicherung trat an ihn heran und hielt ihm einen verschließbaren Klarsichtbeutel vors Gesicht. „Hier! Das haben wir im Mantel des Toten gefunden.“ Man sah eine stark vergilbte CD-ROM und ein verschmutztes Injektionsgerät. Max interessierte dabei eher Letzteres. In seiner Polizeilaufbahn kannte er es nur allzu gut, in der Drogenszene war es weit verbreitet. Der kleine beige, rechteckige Kasten hatte oben eine verschließbare Befüllungsöffnung und verjüngte sich nach unten stark. Man konnte oben zum Beispiel Kokainpulver einfüllen, es per seitlichem Knopfdruck erhitzen, verflüssigen und es sich anschließend in die Venen schießen. Drei feine, dünne Injektionsnadeln fuhren automatisch aus, wenn man das Gerät auf die Haut presste. „Sieht hier wohl eher nach einer Überdosis als nach einem Mord aus“, vermutete Max. „Wer hat die Leiche eigentlich gefunden?“ „Wir bekamen einen anonymen Anruf heute Morgen. Von der Stimme her männlich. Wir konnten ihn zurückverfolgen und herausfinden, dass er von einer Intercom-Säule in der Dieselstraße aus getätigt wurde,“ antwortete Stefan, der immer noch neben Max stand und den Beutel hoch hielt, solange bis sein Arm schmerzte. „Ja und weiter?“ „Unsere Informatiker haben die Kopfdaten des digitalen Telefonats ausgelesen und Programmiercodes entdeckt, solche, wie sie auch Computerhacker verwenden.“ „Der anonyme Anrufer könnte demnach also ein Computerprofi sein?“ „Ja, vermutlich. Aber das ist schon alles, was wir bisher wissen. In den Daten waren ansonsten keinerlei Hinweise auf die Identität des Anrufers.“ „Aber warum wollte er, dass die Polizei die Leiche einen Tag später findet? Ist doch irgendwie seltsam, oder?“ „Finde ich auch. Der hat irgendwas zu verbergen, sonst würde er sich stellen. Nur was? Wir überprüfen gerade, ob die Verkehrskameras in der Dieselstraße was Brauchbares liefern. Den Zeitpunkt des Anrufes kennen wir ja. Vielleicht hat die Verkehrsbehörde ein paar passende Bilder von unserem Anrufer. Eigentlich blöd, dass die Intercom-Säulen keine Bildfunktion haben!“ „Ja, stimmt.“ Max musste auf einmal schmunzeln. Möglicherweise sollte er einfach sein Bildtelefon zuhause gegen eine dieser Telefonsäulen tauschen. Das funktionierte sowieso nicht richtig. Er wischte seine letzten Gedanken weg, als gerade der Leichenwagen angeschwebt kam. Zwei Sanitäter stiegen aus, schlupften mit ihrer Trage unter den gelben, holografischen Absperrbändern hindurch schnurstracks zur Leiche. Die Polizeiarbeit war hier nun soweit erledigt. Der Tatort wurde wieder für die Öffentlichkeit freigegeben und alle bis auf Max schwebten mit ihren Fahrzeugen davon. Er ließ sich vorher von Stefan noch den Klarsichtbeutel mit den Beweisstücken darin geben, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Erst jetzt richtete er seine Aufmerksamkeit auf die vergilbte CD. So eine hatte er schon lange nicht mehr...