: Geri G
: Die Herrschaft des Geldes
: Tredition
: 9783347687653
: 1
: CHF 3.20
:
: Science Fiction
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Herrschaft des Geldes 2030. Die Welt versinkt im Chaos. Ein mächtiger Konzern hat das Sagen und beeinflusst die Geschicke des Planeten. Die Armutsquote liegt in vielen Ländern bei 99%, die Umweltzerstörungen sind an vielen Orten deutlich sichtbar. Aufstände sind in einigen Staaten an der Tagesordnung. Doch zwei Journalisten geraten eines Tages durch Zufall in die Machenschaften von Redstones hinein, der reichsten und erfolgreichsten Firma der Welt. Sie versuchen, sich trotz aller Widerstände gegen den Global Player zur Wehr zu setzen. Doch die Lage scheint aussichtslos.

Kapitel 1

Naruto Ito hatte die Schnauze voll. Von der Gesellschaft, von der Wirtschaft, vom Staat, überhaupt vom Leben. Er konnte nicht mehr, er fühlte sich ausgebrannt. Fix und fertig. Er saß in seinem mintgrünen Nissan Dayz hinter dem Lenkrad und starrte einfach nur gerade aus. Der Motor lief, die Klima-Anlage hatte ihren Geist aufgegeben. Er schwitzte. Es war heiß, verdammt heiß an diesem Tag Anfang April in Tokio. So heiß wie noch nie. Der heißeste Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Sein kurzes, schwarzes Haar war nass und glänzte wegen ein paar Sonnenstrahlen, die durch das heruntergelassene Wagenfenster schossen. Der Geruch von Abgasen. Schweißperlen kullerten über Stirn und Schläfen, die mandelförmigen Augen leicht gerötet. Sein Leben zog in Gedanken an ihm vorbei und er fragte sich, wie es soweit kommen konnte. Er, der jüngste Hochschulabsolvent der technischen Kobaiyashi-Maru-Universität, war erfolgreich, hatte eine attraktive Freundin und war gesellschaftlich angesehen. Doch dann eines Tages kam die Hiobsbotschaft: Der Firma, bei der er arbeitete, ging es immer schlechter. Die Einnahmen brachen plötzlich ein und sie wurde schließlich von der Vermögensverwaltungsfirma Redstones aufgekauft. Die Bude war monströs, hatte Filialen auf der ganzen Welt, in jedem Staat und verwaltete Kapital von mehreren hundert Billionen Dollar. Als Aktiengesellschaft hatte Redstones nur ein Ziel, nämlich den Profit zu steigern, koste es, was es wolle. Die Aktionäre wollten schließlich Rendite sehen. Erste Maßnahme der Fondgesellschaft war es, Personalkosten zu sparen und Arbeitsabläufe zu optimieren. Auch Naruto war Teil dieser Maßnahmen, da er noch dazu im letzten Jahr öfter krank war als andere, wie es hieß. Einen Betriebsrat gab es nicht und die Gewerkschaften hatten gegen einen derartigen Konzern keine Chance. Plötzlich war er arbeitslos, obwohl er hart schuftete, um sich einen ordentlichen Wohlstand ermöglichen zu können. Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Mit 25 Jahren führte er nahezu ein Luxusleben, hatte im teuren Tokio ein schönes Appartment, gab regelmäßig Cocktailpartys in feiner Gesellschaft und fuhr einen silberfarbenen Mercedes. Und jetzt das! Wie sich herausstellte, befand sich die japanische Ökonomie schon einige Zeit vorher in der Krise, sie wurde aber von Politik, Medien und Wirtschaft einfach totgeschwiegen. „Aber warum?“, fragte sich dann auch er selbst und er fragte sich ebenso, wie im Zeitalter des Internets kaum etwas von diesen Informationen durchsickern konnte.

Es ist das Jahr 2030 und er hatte das Gefühl, dass alles zu Ende ging. Nach seiner Entlassung bekam er keine Neuanstellung, er musste Arbeitslosenhilfe in Anspruch nehmen. Nachdem er alles in seinem schönen alten Leben aufgegeben hatte, fand er auch keine neue Wohnung mehr. Nur noch Hotelzimmer für ein paar Yen am Tag. Um Geld zu sparen, schlief er dann öfter in seinem Auto, einem Kei-Car, einem Kleinstwagen oder auch schon mal im Yoyogi-Park, wo inzwischen viele Obdachlose lebten. Die öffentlich zugängliche Anlage hatte eine Fläche von etwa 75 Fußballfeldern, wie er sich plötzlich erinnern konnte, aber ein Faktum, das eigentlich völlig ohne Belang war.

Die Armut nahm indes immer weiter zu. Seine Freundin wie auch seine Freunde wendeten sich von ihm ab, denn er war nun ohne Job. Er hatte, wie es so unschön heißt, sein Gesicht verloren. Sozialhilfe lehnte er dann ab, denn das galt hier in Japan als absolute Schande und man wurde komplett als Versager abgestempelt. Unfassbar eigentlich! Er zog sich schließlich völlig zurück, seinen Eltern erzählte er nichts davon. Überhaupt seine Eltern, beide erfolgreiche Ärzte. Wie sie ihn schon als Kind immer auf Leistung getrimmt hatten. Er fing an, sie immer mehr dafür zu hassen, obwohl sie sicher nur das Beste für ihn wollten. „Aber was hatte es gebracht?“ Rein gar nichts. Alles hing außerdem immer vom Geld ab, wirklich alles. „Wieso eigentlich?“ Er hatte keine Antwort darauf. Er war schließlich kein Wirtschaftsexperte, sondern Maschinenbau-Ingenieur. Er hatte sich auch nie darüber Gedanken gemacht, als es ihm noch gut ging. Und dann war es auch noch äußerst mühsam, Geld zu verdienen. Geld ausgeben war hingegen einfach, aber es zu verdienen, um sich einen hohen Lebensstandard ermöglichen zu können, wahnsinnig schwer. Und das Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Letztendlich nur, um seine Rechnungen bezahlen zu können. Er war schließlich bloß ein Mensch und keine Maschine. Immer soll man funktionieren, aber jetzt war Schluss! Er konnte nicht mehr. Naruto senkte seinen Blick nach einigen Minuten zum ersten Mal wieder. Der Tankuhr-Zeiger seines Kei-Cars war schon fast bei Null. Der Motor surrte weiter im Leerlauf gemütlich vor sich hin, ein fast schon beängstigend ruhiges Summen. Die Ruhe vor dem Sturm. Naruto hob seinen Kopf wieder und schloss die Augen für einen kurzen Moment. Draußen hörte er entferntes Gelächter von Kindern, sogar gelegentlich Vogelzwitschern. Er öffnete die Augen und atmete tief durch. Der Schweiß hatte sein gelbes T-Shirt derart durchtränkt, dass sogar die blaue Jeans etwas davon abbekam. Hier stand er nun am Ufer des Arakawa-Flusses, auf der schmalen Straße, die linksseitig gesäumt war von pastellrosafarbenen Kirschblütenbäumen, die schon die ersten Blätter verloren … und wollte sich rächen. Rächen an der Gesellschaft, an der Menschheit. Es musste ein Exempel statuiert werden! Die Welt musste erfahren, was los war, musste endlich aufwachen! Der hiesigen Polizei hatte er vor 20 Minuten bereits eine Nachricht zukommen lassen. Direkt vor ihm, etwa hundert Meter, bewegte sich eine große Schar an einheimischen und ausländischen Touristen, Kinder wie Erwachsene gleichermaßen. Sie waren fröhlich, ausgelassen, zückten Smartphones und Fotokameras, um die interessante Umgebung auf digitale Bilder zu bannen. Naruto trat auf die Kupplung, legte den Gang ein und gab Gas.

Berlin, Presseagentur

„Hast du das mitgekriegt?“ „Was denn?“ Hannah Stern hielt ihrem Kollegen Stefan Mack den Tabletcomputer vor die Nase. „´Ne Eilmeldung!“ „Man, lass´ mich doch erstmal in Ruhe meinen Morgen-Kaffee trinken! Ich mach´ gerade Pause, verdammt nochmal!“ „Schon wieder eine Amokfahrt! Zuerst in den USA und diesmal in Tokio, Japan.“ „Hältst du mich eigentlich für doof? Glaubst du vielleicht, ich weiß nicht, in welchem Land Tokio liegt?“ „Schon gut. Du bist aber heute ganz schön gereizt!“ „Okay, entschuldige! Amokfahrten sind wohl momentan im Trend, was?“ „Hm, du bist ja inzwischen schon richtig abgestumpft. Es gab mehrere Tote und Schwerverletzte, darunter auch Kinder!“ „Verdammt! Und was ist mit dem Fahrer passiert?“ „Ebenfalls tot. In der Meldung hieß es, der Fahrer, ein junger Japaner, fuhr so lange Amok bis der Tank leer war. Am Ende knallte er mit seinem Wagen volle Karacho gegen eine Betonwand. Die dortige Polizei gibt aber auch nur spärlich Informationen heraus. Laut deren Angaben hatte der Fahrer kurz vorher eine Email an das Hauptquartier geschickt und darin mitgeteilt, was er gleich tun wird.“ „Mehr nicht?“ „Nein.“ „Was könnte wohl das Motiv gewesen sein?“ „Keine Ahnung. Vermutlich das Übliche. Liebeskummer, psychische Probleme, finanzielle Sorgen oder gleich alles zusammen.“ Hannah legte das Tablet beiseite, krallte sich einen weißen Plastikstuhl und setzte sich rechts neben Stefan an den hellen Tisch der kleinen Büroküche. „Trink´ erstmal deinen Kaffeebecher aus! Dann reden wir weiter.“ Stefan setzte langsam seine Tasse ab und wirkte plötzlich nachdenklich. „Die Vorfälle häufen sich. Das ist schon irgendwie komisch, Hannah. Findest du nicht?“ „Ja, schon.“ Sie legte ihre Stirn in Falten und hielt kurz inne. Eine blonde, lange Strähne glitt ihr dabei ins Gesicht. Sie streifte sie zurück hinter das rechte Ohr. „Da wär´ noch was. Der neue Chefredakteur kam gerade in mein Büro. Er hat keine Auslands-Korrespondenten mehr in Tokio. Wir beide sollen hin, auf dem schnellsten Wege.“ „Was?“ Diesmal fiel ihm der Becher fast aus der Hand. „Und das erzählst du mir so nebenbei?“ „Hey, ich bin auch nicht scharf drauf, okay? Ich hab´ mir das nicht ausgedacht.“ „Schon gut. Dieser neue Chefredakteur. Wie heißt er doch gleich nochmal?“ „Harm Caspers.“ „Der geht mir jetzt schon ziemlich auf die Nerven, ehrlich! Und irgendwie gefällt mir der Name auch nicht. Und wieso sollen wir jetzt plötzlich nach Tokio?“ „ Ich weiß es auch nicht genau, Caspers machte nur so Andeutungen, dass er die 2 Leute dort nicht mehr erreichen kann. Den genauen Grund hat er mir nicht genannt.“ „Alles irgendwie merkwürdig. Und auch, dass wir als Belegschaft erst gestern...