6. Kapitel
Mimi
Der Wind, der durch das offene Fenster in meine Wohnung wirbelt, ist warm und feucht vom letzten Gewitter. Er bietet kaum Abkühlung, während der aufgeheizte Asphalt zu brennen scheint. Die plötzliche Hitze ist ebenso unnatürlich wie das Zittern meiner Finger. Ein Schweißtropfen gleitet quälend langsam zwischen meinen Brüsten nach unten und ich bin froh, dass ich nur ein Tanktop anhabe und so die Gefahr minimiere, Schweißflecken unter den Achseln zu tragen wie ein Abzeichen. Der Höllenbewohner vor mir macht es mir nicht gerade einfacher, mit dem plötzlichen Hitzeeinbruch zurechtzukommen.
»Seine Kraft kommt wieder, er braucht nur Zeit.«
»Immerhin hat das Kotzen aufgehört.«
»Ich kann euch hören«, knurrt Baal und wischt sich das blonde Haar aus dem Gesicht. Sein funkelnder Blick geht zwischen Luzifer und mir hin und her. »Es würde vieles erleichtern, wenn ihr mir sagen würdet, wo wir stehen.«
»Am Rand der Apokalypse«, antwortet sein Vater.
»Danke, geht es auch etwas genauer?«
»Nichts ist so hinreißend verspielt wie die brutale Wirklichkeit«, meint Luzifer und hebt seinen Tee an, als wolle er einen Trinkspruch daraus machen. Ich ziehe fragend eine Augenbraue nach oben, lasse das Ganze jedoch unkommentiert. Baals Bernsteinaugen nehmen meine gefangen. Augenblicklich beginnt mein Herz quälend schnell zu pochen, als hätte es eine Chance, der Tragödie noch zu entkommen, wenn es nur schnell genug Blut durch meine Adern pumpt.
»Du willst eine ›Was bis jetzt geschah‹-Zusammenfassung?«, frage ich und reibe mir über die Unterarme.
Der ehemalige Prinz der Hölle nickt und richtet sich in meinem Bett auf. Das weiße Shirt spannt sich über seine Brustmuskeln, während die Tätowierung sachte durch den Stoff hindurchschimmert.
»Legst du los, oder muss ich mir erst Popcorn machen?«
Einen Augenblick lang frage ich mich, ob ich es schaffe, dieses Gespräch noch weiter nach hinten zu schieben, doch sein Blick ist so erbarmungslos wie immer. »Nachdem du, du weißt schon …«
»… ich ins Dreieck gesprungen bin?«
Ich nicke. Allein die Erinnerung daran sorgt für eine Gänsehaut auf meinem erhitzten Körper. »Jesus und dein Bruder haben uns erwartet, sie haben die Seuche auferstehen lassen. Drake und ich haben es geschafft, Jesus zu töten, aber sie ist wieder auferstanden. Dein Vater hat sich um den Reiter gekümmert. Den Kopf haben wir in die Tiefkühltruhe gepackt, wo im Übrigen die restlichen Reiter noch warten.«
Ein schwaches Grinsen umspielt Baals Gesichtszüge. »Erinnere mich daran, dass ich imFene nie wieder Eiswürfel in meinem Getränk verlange …«
Fast lächle ich, aber nur fast, denn nun kommt ein Teil, der weniger erfreulich ist. »In der Schlacht wurde Tessa getötet.«
Jetzt ruckt sein Kopf nach oben und der Ausdruck um seinen Mund wird grimmiger. »Ich wusste, sie stinkt nach Tod. Neues Parfüm, dass ich nicht lache!«
»Jemand hat ihr die Kehle durchgeschnitten.«
»Klingt nicht nach einem Anhänger von Jesus«, murmelt er nachdenklich und reibt sich über die Wangen. Die Geste ist so vertraut und gleichzeitig wirkt sie fremd auf mich.
Ich schüttle den Kopf. »Danach war es erschreckend ruhig. Wir haben den Reiter der Seuche gefoltert, um herauszufinden, wie wir Jesus töten können – und dieses Mal hatten wir Erfolg, wenn man das so nennen kann.«
Baal greift nach meiner Hand, doch ich ziehe sie zurück und verschränke die Arme vor der Brust. Meine Seele ertrinkt fast an den Schuldgefühlen in meinem Kopf.
»Zeigst du jetzt Reue, nur weil du sie getötet hast?«
Ich bin froh, dass er zwar in meinem Gesicht lesen kann, aber nicht alles versteht. Der Schlag meines Pulses wird ruhiger, als wüsste mein Herz, dass die Gefahr vorerst vorbei ist. Baal kennt mich. Doch die letzten Monate haben mich verändert. Von ihm getrennt zu se