: Lucie Flebbe
: Hämatom Lila Zieglers zweiter Fall
: Grafit Verlag
: 9783894258023
: 1
: CHF 7.20
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 221
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Lila Ziegler macht mal wieder keine halben Sachen. Nachdem sie zwei Wochen daran gearbeitet hat, ihren Beziehungsschmerz zu betäuben, begibt sie sich in eine Klinik zur Entgiftung. Dort wird sie Zeugin, wie eine junge Putzfrau an einem Herzinfarkt stirbt. Doch war das wirklich ein natürlicher Tod? Dreist bewirbt sich Lila auf die frei gewordene Stelle und erhält ein sehr widersprüchliches Bild von der Verstorbenen: liebevolle Mutter oder nymphomanisches Flittchen? Hilfsbereite Kollegin oder karrieresüchtige Zicke? Als Privatdetektiv Ben Danner in der Klinik auftaucht, muss sich Lila endlich ihren Gefühlen stellen - und erfährt von einem handfesten Motiv für einen Mord ...

Lucie Flebbe (vormals Klassen) kam 1977 in Hameln zur Welt. Sie ist Physiotherapeutin und lebt mit Mann und Kindern in Bad Pyrmont. Mit ihrem Krimideb?t 'Der 13. Brief' mischte sie 2008 die deutsche Krimiszene auf. Folgerichtig wurde sie mit dem 'Friedrich-Glauser-Preis' als beste Newcomerin in der Sparte Romandeb?t ausgezeichnet.

5.

Es gab nur ein Waschbecken im Zimmer, zur Dusche musste ichüber den Flur laufen.

Der Flur war mintgrün gestrichen. Und lang. Auf dem unempfindlichen, grauen PVC-Boden zog sich mittig ein handbreiter Klebestreifen entlang, farblich passend zu den knallroten, elektrischen Kerzen des Adventskranzes, der an der Flurdecke vor dem Schwesternzimmer schwebte. Mein Zimmer lag ziemlich am Ende des Ganges. Neben einer Sitzgruppe unter dem Fenster in der Ecke bemerkte ich einen meterhohen Weihnachtsbaum und einen Kaffeeautomaten. Ich nahm mir vor, herauszufinden, ob das Ding was Genießbareres ausspuckte als die braune Frühstücksbrühe.

Einige Augenblicke lang beobachtete ich, wie die Schwestern und Serviererinnen in grünen Schürzen die Frühstückstabletts aus den Zimmern einsammelten, um sie in einem Wagen auf dem Flur zu verstauen. Dann setzte sich der Geschirrwagen von allein in Bewegung und verschwand durch die sich selbstöffnende Tür am Ende des Flures. Während ich weiter zur Dusche schlurfte,überlegte ich, ob das eine drogenbedingte Halluzination gewesen sein könnte.

Humpelnde Gestalten schoben Infusionshalter oder andere Apparate an mir vorbei. Alle waren sehr vielälter als ich.

Die Dusche war heute bereits benutzt worden. Mehrmals. Die Wände waren feucht und der Fußboden voller Haare. Ich warf ein Handtuch auf die Fliesen. Aber wahrscheinlich waren die meisten derüber den Flur Humpelnden auch nicht begeistert davon, die Dusche mit mir teilen zu müssen.

Minutenlang ließ ich dampfend heißes Wasser auf meinen Rücken prasseln. Ich genoss, wie mit der Kälte auch die Angst aus meinem Körper gespült wurde.

Langsam kam ich zu mir.

Gespannt wartete ich auf den bohrenden Schmerz in meiner Brust, auf die nächste Angstattacke, die signalisierte, dass die Wirkung der Drogen nachließ.

Eine Sekunde verging. Zwei.

Nicht passierte.

Ich entspannte mich etwas, spürte das kochend heiße Prasseln auf meiner Haut, fühlte mich sicher, warm, geborgen. Das Beste war, ich würde das Wasser einfach nie wieder abstellen.

Das war natürlich genauso verrückt wie mein Verfolgungswahn. Ich konnte nicht ewig unter der Dusche bleiben, meine Haut war bereits feuerrot. Ich würde schrumpelig werden wie eine zwei Jahre alte Pflaume in einer vergessenen Tupperdose.

Trotzdem blieb ich eine Dreiviertelstunde unter dem heißen Wasserstrahl stehen. Der Raum war neblig vor Dampf.

Schließlich stellte ich die Dusche ab und rubbelte meinen heißen Körper trocken. Erstaunt bemerkte ich die deutlich fühlbaren Rippen und meine hervorstehenden Beckenknochen. Ich hatte abgenommen. Logisch, ich hatte viel gekotzt und kaum gegessen in den letzten Wochen.

Ich nahm mir vor, auf das Herz der dicken Oma Busch Rücksicht zu nehmen und ihr nichts von meiner Mittagsmahlzeit abzugeben.

 

Ich machte mir nicht die Mühe, meine Haare zu föhnen oder wenigstens zu kämmen, sondern schlurfte zurück in mein Zimmer.

Einer dieser selbstständigen Servierwagen kam mir entgegen. Surrend hielt das Gerät auf mich zu. Ich wusste nicht, ob ich nach rechts oder nach links ausweichen sollte. Sah aus, als wollte mich das Ding rammen.

Doch der Wagen hielt an und motzte mit unfreundlicher Computerstimme:»Achtung, Achtung! Dies ist ein automatischer Transport!«

Aha.

Ich trat zur Seite und das Gerät setzte sich wieder in Bewegung.

Zurück im Zimmer kroch ich ins Bett und zog mir die Decke bis ans Kinn.

Dann wartete ich.

Nach einer Weile begannen meine Hände zu zittern. Ich rollte mich fest in die Bettdecke ein und wartete weiter.

Schwester Gundel wuchtete meine Zimmergenossin in einen Rollstuhl, wobei die winzige Krankenschwester beinahe unter Oma Buschs Speckbergen begraben worden wäre. Gundel schob die Dickeächzend hinaus und brachte sie nach einer Weile frisch geduscht zurück.

Gegen neun huschte eine spitzmausgesichtigeÄrztin mit dunklem Dutt herein– unschwer zu identifizieren am obligatorischen Kittel und einem auffälligen, vergoldeten Stethoskop, das wie eine Medaille auf ihrem unsichtbaren Busen blinkte. Verfolgt wurde sie von Schwester Gundel und einem höchstens sechzehnjährigen Krankenpflegeschüler mit Pubertätspickeln und einer blond gesträhnten, haargelverkleisterten Igelfrisur. Der Junge schob einen Aktenwagen vor sich her, aus dem Schwester Gundel derÄrztin die Akten anreichen durfte.

Ichüberlegte, was dieÄrztin wohl daran hinderte, selbst zu schieben und die richtige Akte herauszusuchen.

Zumindest mischte sich dieser Wagen nicht in das Gespräch ein.

Die