: Jacques Berndorf
: Eifel-Rallye Der 6. Siggi-Baumeister-Krimi
: Grafit Verlag
: 9783894258276
: 1
: CHF 9.80
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 319
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der 6. Band der Eifel-Serie Ein Motorjournalist aus Adenau stirbt - angeblich an einem Herzinfarkt. Aber der Spezialist für Fragen rund um den Nürburgring hat etwas recherchiert, das - würde es bekannt - eine Autofirma zu einer unglaublich teuren Rückrufaktion zwingen würde. Und so taucht Pfeifenraucher und Katzenfreund Siggi Baumeister in die skurrile Welt des Nürburgrings ein.

Jacques Berndorf - Pseudonym des Journalisten Michael Preute - wurde 1936 in Duisburg geboren und lebt heute in der Eifel. Er war viele Jahre als Journalist tätig, arbeitete unter anderem für den 'stern' und den 'Spiegel', bis er sich ganz dem Krimischreiben widmete. Seine Siggi-Baumeister-Geschichten haben Kultstatus, im Grafit Verlag sind erschienen: Eifel-Blues, Eifel-Gold, Eifel-Filz, Eifel-Schnee, Eifel-Feuer, Eifel-Rallye, Eifel-Jagd, Eifel-Sturm, Eifel-Müll, Eifel-Wasser, Eifel-Liebe, Eifel-Träume und Eifel-Kreuz. Außerdem lieferbar: Die Raffkes und Der Kurier (beides Politthriller).

Erstes Kapitel


Es gibt Tage, da stehe ich um 5 Uhr morgens auf, nur um zu hören, wie oberhalb des Dorfes die Feldlerchen den Tag begrüßen und die ersten Amseln, reichlich plustrig noch, auf die Suche nach Regenwürmern gehen. Dann entdecken sie in der Regel meinen Kater Paul und beginnen wüst zu schimpfen, wieso denn um diese Zeit schon so ein Ekel durch die Landschaft streicht.

Die ersten Autos brausen die steile Dorfstraße hinunter, und es ist einfach zu erkennen, wer zu spät dran ist: Der fährt Vollgas. Und wenn er jung genug ist, hämmert Techno durchs Dorf und verweht.

Um sechs Uhr läuten die Glocken, und es gibt tatsächlich Leute, die das erheblich stört, weil die Kirche sich angeblichüberall einmischt, sogar in heilige morgendliche Rituale. Gemach, die Zeiten sind vorbei, und das Läuten ist der Nachhall einer sehr alten Tradition aus jenen Zeiten, als in keinem der Häuser eine Uhr tickte, man aber gleichwohl wissen wollte, was die Stunde geschlagen hat. Laßt sie doch bimmeln, nach sechs Tagen hörst du sie nicht mehr, und wenn du sie hören willst, denk daran, daß sie verläßlicher sind als alle großschnäuzigen Politiker.

Neulich bekam ich erzählt, daß jemand in Udler sich beschwert hat, der Hahn der Nachbarn krähe regelmäßig zu früh. Wir in Brück sind froh, daß wirüberhaupt noch Hähne haben, wenn die auch gelegentlich so falsch gehen wie eingerostete Wecker. Eines dieser männlichen Hühner hat eine ausgesprochene Vorliebe für morgens um elf. Soll er doch.

An diesem Morgen war ich so früh aufgestanden, weil ich eigentlich das Löwenzahn-Experiment wiederholen wollte. Kennen Sie das? Also, das geht so: Suchen Sie sich in Ihrem Garten einen möglichst gesunden und frech aussehenden Löwenzahn. Er sollte eine kräftige Knospe haben und auf einem starken Stengel stehen. Wiegen Sie dann– am besten mit der Küchenwaage– rund zweieinhalb Kilo Erde ab. Diese Erde legen Sie sanft in einem Haufen auf den Stengel, möglichst so, daß der gebogen, aber nicht geknickt wird. Ganz richtig: Volle fünf Pfund Erde. Wundern Sie sich nicht. Bei nicht zu strenger Hitze finden Sie etwa drei bis vier Stunden später den Erdhaufen ohne gebogenen Löwenzahnstengel, denn der steht mittlerweile steil wie das Sehrohr eines U-Bootes in dem Erdhaufen, er hat die fünf Pfund locker beiseite gedrückt. Für Botaniker mag das eine durchaus unwissenschaftliche Methode sein, für mich reicht das zum Nachweis des immer noch ungebrochenen Lebenswillens der Mutter Natur.

Ich wiederholte das Experiment nicht, weil ich ins Träumen geriet, was mir häufig widerfährt. In der Nacht war ein Gewitter niedergegangen, das Gras war naß, die Blätter der Sträucher glänzten. Darüber ein Pärchen Roter Milane und abseitsüber Dreis ein Turmfalke, unruhig und pfeilschnell. Aus einem Erdloch am Stamm der jungen Linde, die Corny uns geschenkt hatte, kroch eine Hummel, blieb eine Weile in der Sonne hocken, spreizte die Flügel und machte sich an die Mühen des Tages. Anfangs klang es so, als käme ihr Motor nur stockend ins Laufen.

Das Fenster des Schlafzimmers quietschte leise, als Dinah es aufzog, um verschlafen zu fragen:»Was machst du denn so früh da draußen?«

»Ich freue mich des Lebens«, antwortete ich.»Um diese Zeit geht das noch, weil die meisten Idioten schlafen.«

»Das ist ja furchtbar«, klagte sie, schloß das Fenster und war verschwunden. Es ist ein beruhigendes Gefühl, gefragt zu werden, warum man etwas tut. Es ist der Beweis, nicht allein zu sein.

Mein Kater Paul suchte muffig nach einer Stelle im Gras, die nicht naß war, und als er keine fand, sah er mich voller Verachtung an: Nicht mal das kriegst du geregelt!

Willi kam um die Ecke und maunzte laut, weil er seinen Erziehungsberechtigten Paul suchte.

Willi ist selbst nach acht Monaten immer noch nicht mehr als eine Handvoll, grau getigert, schmal und etwasübernervös. Willi macht mir Sorgen. Biologen behaupten, Katzen seien im Prinzip unbelehrbar, weil sie nur das tun, was sie selbst sich vorgenommen haben. Und man könne ihnen bestenfalls etwas beibringen, wenn das automatisch mit Belohnung in Form von Futter zusammengehe. Biologen kennen Willi nicht. Der hat nämlich etwas gelernt, was kein vernünftiger Mensch, ich auch nicht, einer Katze beibringen würde und was jeden Haushalt ins Chaos führt: Willi kann Türenöffnen. Die Handvoll springt mit einem Satz auf die Klinke und rutscht so lange hin und her, bis das lächerliche Kilo reicht, die Klinke nach unten zu drücken. Willi muß also genetischüber Kenntnisse der Hebelwirkung verfügen, und ich kenne keinen Biologen, der dazu Kluges zu sagen weiß.

Willi tauchte in das nasse Gras, hielt sofort die rechte Vorderpfote leicht hysterisch hoch und schüttelte sie, als habe er die Hölle betreten. Paul eilte zu ihm und leckte ihmüber den Kopf, als wollte er sagen:»Macht nix, Junge, bis mittags ist das trocken.« Dann verschwanden die beiden hinter dem Haus, um durch die Katzenklappe ins Innere zu marschieren. Es wäre klüger gewesen, ihnen zu folgen.<