: Petra Hauser
: Die Ewigkeit ist nur ein Augenblick
: Lindemanns
: 9783963081613
: 1
: CHF 8.00
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 336
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vom Leben der Familie Sömmer, von guten und schlechten Zeiten für jedes einzelne der zehn Kinder, die der Hofmusiker Paul Sömmer und seine Frau Wilhelmine aus Mannheim haben, erzählt Petra Hauser in ihrem neuen Roman. Manchmal verzweifelt Wilhelmine an der lauten und lebhaften Schar ihrer Söhne und Töchter, aber als sie schließlich alle ein eigenes Leben führen, als sich die Familie um Schwiegerkinder und Enkel erweitert hat, am Ende ihrer Tage empfindet sie es als großes Glück, sie um sich zu haben. Der Roman kreist um die Geheimnisse der Familien-Dynamik, um den Wert von Allianzen und die Auswirkungen familiärer Spannungen. Historische Folie ist das Badische Land zwischen Mosbach und Gernsbach im 20. Jahrhundert. Wurzeln und Flügel sollen den Kindern wachsen. Geborgenheit sollen sie fühlen, so dass in ihnen der Mut zur Selbstverwirklichung entsteht. Bewunderung und Liebe verbindet die Familie, es entstehen auch Verletzungen und Enttäuschungen. Aber man kann immer wieder aufeinander zugehen, das ist Wilhelmines Überzeugung, deshalb hält sie sich mit offenen Armen bereit.

Petra Hauser wurde 1950 in Karlsruhe geboren. Sie studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg und war über 30 Jahre lang als Lehrerin vor allem in der Erwachsenenbildung tätig. Ihren ersten Roman 'Das Glück ist aus Glas' veröffentlichte sie 2009 (6. Auflage, 2015). Es folgten die Novelle 'Falsche Wimpern' (2011), der Roman 'Die Tage vor uns' (2012), der Krimi 'Binokelrunde' (2014), der Roman 'Heimatstadt' (2016, 2. Auflage), 'Das Geheimnis vom Weihnachtsgebäck' (2018) sowie 2020 'Ein herrliches Vergessen'.

Schwestern

28. Juni 1914

Sie wurden zusammen konfirmiert und beide wurden mit einem guten Zeugnis von der Schule entlassen. Johanna, weil sie sehr fleißig und pflichtbewusst war, Helene, weil sie intelligent war, schnell die richtigen Antworten parat hatte, weil ihre schwarzen Augen ihre Lehrer beunruhigten auf eine Art und Weise, die sich auch die älteren unter ihnen nicht erklären konnten. Hinter diesen Augen vermutete man eine unergründliche Tiefe an Gefühlen, an Leidenschaften, rahmensprengende Gedanken. Ihre trotzig aufgeworfenen Lippen ließen Eigenwille vermuten. Man horchte auf, wenn man zum ersten Mal ihre Stimme hörte. Das rauchige Timbre. Man musste sich sofort räuspern, weil man instinktiv annahm, das sollte sie eigentlich tun, Helene sollte sich ihre Kratzer von den Stimmbändern weghusten. Dabei ging das nicht und war auch nicht nötig. Ihre Singstimme nämlich klang klar und rein, schwang sich mühelos auf und auch die tiefen Töne kamen nicht gepresst oder gezwungen.

Im Jahr ihrer Konfirmation und Schulentlassung begannen beide eine Schneiderlehre im Mode-Atelier der Madame Wawrina, vermittelt durch ihre Tante Sofie, die dort bereits ihre Lehre gemacht und von Fräulein Wawrina insgeheim als Nachfolgerin auserkoren worden war. Sofie, die seit der Geburt ihres ersten Neffen Bertel Sofietante genannt wurde, war der Wawrina unentbehrlich geworden, eine zwar nur durchschnittlich gute aber äußerst zuverlässige Schneiderin, das hieß, sie beherrschte alle Arten von Nähten, konnte Schnittmuster anfertigen und den jeweiligen körperlichen Besonderheiten der Kundinnen anpassen. Sie vertrat die Ansicht, dass das lange schon Erprobte eine Dame von Stand immer noch am besten kleidete und ihr die Möglichkeit gab, sich auf ihre Kleidung so sehr verlassen zu können, dass sie sich, wenn sie sie einmal anhatte, nicht mehr darum sorgen musste, sondern ihre Energie und ihre Weiblichkeit ganz auf die anderen nicht selten doch wirklich schwierigen Elemente ihres Lebens konzentrieren konnte: Das Repräsentieren neben ihren bedeutenden Männern, das Erzwingen von Vorteilen, überall dort, wo viele Damen in Konkurrenz zueinander standen, das Beherrschen ihres Dienstpersonals, das Regieren ihrer Kinder und nicht zuletzt das Regieren ihres eigenen inneren Wohlbefindens, das sich sodann auf ihrem Gesicht ausdrücken und sie von innen her zum Leuchten bringen würde, so wie es ihr Stand und ihre Position im Leben verlangten. Sofie Walker hatte also ein Auge für das Machbare, das Modische wusste sie einzubeziehen, wenn es erwünscht war, sie war außerdem resolut und hatte kaufmännisches Geschick, sie handelte wie auf einem orientalischen Bazar, wo es den Rahmen des Schicklichen nicht sprengte, sie konnte mit genau dem richtigen Tonfall zu einem Mantel noch Lederhandschuhe, einen kapriziösen Schlangenledergürtel, einen seidenen Schal, vielleicht sogar ein Hütchen anbieten, wie nebenher ein paar Schuhe zeigen, hatte immer einige Modelle zum Anprobieren parat und zuvor mit dem entsprechenden Hersteller eine Provision vereinbart, wenn es ihr gelänge, ihm eine neue Kundin zuzuführen. Am bemerkenswertesten war ihre Wandelbarkeit, blitzschnell stellte sie ihren Tonfall auf ihr Gegenüber ein, schmeichelte oder verbarg das Schmeicheln unter scheinbar nüchternen Fakten, schürte in den Kundinnen, was ihnen gerade ermangelte, einen Sinn für Konkurrenz, für Selbstbewusstsein, für Einsicht in die körperlichen Unzulänglichkeiten und die absoluten Fähigkeiten einer guten Schneiderin, diese zu kaschieren. Sie war redselig oder wortkarg, je nach dem Gebot der Stunde und das Gebot der Stunde erkannte sie im Bruchteil einer Sekunde. Das Fräulein Waw