: Gabriele Popma
: Der Fjord schweigt
: tolino media
: 9783754602607
: 1
: CHF 0.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 355
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Während ihres Urlaubs in Norwegen trifft Kerstin auf den attraktiven Morten, der sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Sie kann seine Gefühle nicht erwidern, doch Morten will das nicht akzeptieren.

Dreißig Jahre später: Bei der Beerdigung ihres Vaters erfährt Kerstins Tochter Annika, dass sie einen Zwillingsbruder hatte, der als Kleinkind in einem norwegischen See ertrunken ist. Sie will mehr erfahren, doch ihre Mutter verweigert ihr jede Information. So reist Annika selbst nach Norwegen in den kleinen Ort, in dem das Unglück geschehen ist. Kerstin ist entsetzt und nimmt ihr ein Versprechen ab: Verlieb dich nie in einen Norweger! Ein Versprechen, das nicht so leicht zu halten ist, als Annika die Brüder Jan und Erik kennenlernt.

Schließlic bricht Kerstin ihr Schweigen. Was ist damals wirklich passiert?

Ein dramatischer Liebesroman auf zwei Zeitebenen vor der großartigen Kulisse Norwegens.



Gabriele Popma ist Jahrgang 1963 und als wissenschaftliche Bibliothekarin ein alter Hase im Büchergeschäft. Bereits 1996 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Nach längerer Pause arbeitet sie nun wieder als Autorin. Mit ihrem niederländischen Mann lebt sie im südlichen Bayern und liebt neben dem Schreiben ihren Garten, große Stickbilder, die sie aus Zeitmangel nie beenden wird, und ihr altes Akkordeon.

2


 

Wie betäubt saß sie auf der Couch. Sie fühlte sich mies. Warum hatte sie das getan? Wie sollte sie den Mann fürs Leben finden, wenn sie jemanden wie Sven in die Wüste schickte? Wie sollte sie jemals finden, was sie suchte, wenn sie keine Ahnung hatte, was das war? Wie konnte sie diese Leere bezwingen, die immer auftrat, wenn sie sich langfristig binden wollte?

Die Grübelei führte zu nichts. Sie musste sich ablenken. Der Umschlag fiel ihr ein. Aber war sie wirklich gewappnet, sich dem Geheimnis ihrer Eltern zu stellen? Seufzend holte sie das Kuvert von der Kommode und drehte es unschlüssig in den Händen. Noch konnte sie zurück. Doch das hätte ihrem Naturell widersprochen. Mit dem Finger schlitzte sie den Umschlag auf und holte tief Luft, als sie hineingriff und ein zusammengefaltetes Blatt Papier herauszog. Ein einzelnes großformatiges Foto fiel mit heraus. Es zeigte ihre Eltern vor einem Holzhaus, das an einem Hang mitten in einer grünen Wiese stand. Im Hintergrund lag ein See und dahinter erhob sich eine sanfte Hügelkette. Neugierig drehte Annika das Bild um. Åraksbø 1996 stand auf der Rückseite. Zwei Jahre nach ihrer Geburt. Åraksbø, mit einem Kringel über dem A und einem durchgestrichenen o am Ende. Das sah skandinavisch aus. Was tat das Foto in diesem Umschlag? Sie hatte keine Ahnung, dass ihre Eltern je in Skandinavien gewesen waren.

Sie wandte sich dem Blatt Papier zu und runzelte die Stirn. Es war ein Dokument, aber in einer fremden Sprache geschrieben. Vermutlich ebenfalls skandinavisch. Ein Wort war als Überschrift fett gedruckt, doch es sagte ihr nichts. Aber ein Name fiel ihr ins Auge. Dennis Rauner. Darunter stand ihr eigenes Geburtsdatum und ein weiteres Datum, gut zwei Jahre später. Annika wurde eiskalt, als sie ihr Smartphone hervorzog und nach dem Wort googelte. Ihr Mund trocknete völlig aus, als sie auf das Ergebnis sah und das Handy sinken ließ. Es glitt aus ihren Fingern, die plötzlich taub geworden waren, und fiel unbeachtet zu Boden. Annika starrte auf das Dokument, das vor ihr auf dem Tisch lag, unfähig, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Das Wort war norwegisch und hieß »Sterbeurkunde«. Ein Junge namens Dennis, mit ihrem Nachnamen und ihrem Geburtsdatum, war im Alter von zwei Jahren in Norwegen gestorben.

Ihr wurde schwindelig. Das alles ließ nur einen Schluss zu. Sie war ein Zwilling und ihr Bruder war als Kleinkind ums Leben gekommen. Minutenlang bemühte sie sich, diese Erkenntnis in sich aufzunehmen, das Ungeheuerliche zu fassen. Sie, ein Zwilling. Und ihr Bruder war tot. Mit bebenden Fingern schüttelte sie den restlichen Inhalt aus dem Umschlag. Es war ein weißes Briefkuvert, in dem Fotos steckten. Auf einem erkannte sie ihre Eltern. Ihre Mutter saß zwischen zwei Männern in einem fremden Zimmer. Einer war ihr Vater, der andere ein blonder, gutaussehender Mann im gleichen Alter. Vielleicht ein Freund. Was tat das Bild in diesem Umschlag? Sie wandte ihre Aufmerksamkeit den restlichen Aufnahmen zu. Es waren Fotos von ihren Eltern mit zwei Kindern. Bilder von einem dunkelhaarigen Mädchen, in dem sie sich selbst erkannte, neben einem blonden Jungen. Beide zusammen im Sandkasten, auf dem Schoß ihres Vaters. Aufnahmen von dem Jungen allein, die eindeutig abgeschnitten worden waren. Annika konnte sie alle zuordnen. Die anderen Hälften befanden sich im Fotoalbum ihrer Mutter. Halbe Bilder, auf denen nur sie mit einem Elternteil oder allein zu sehen war. Sie war sich sicher, dass von einer der Aufnahmen vor ihr der restliche Teil sogar in dem Album klebte, das ihre Mutt