Kapitel 2
Camerota, Mitte September
vormittags
Don Rosario gähnte laut, kratzte sich an der Nase und fuhr sich mit beiden Händen durch das schüttere Haar. Doch der Versuch, mit den wenigen längeren Strähnen die Glatze zu bedecken, scheiterte. Sie blieben einfach nicht liegen. Dazu brauchte er einen Kamm. Einen mit feinen, ganz eng aneinanderliegenden Zähnen. Eigentlich hatte er so einen. Aber irgendwie musste er ihn verlegt haben. Und die Haare saßen nicht mehr richtig. Geeigneter Ersatz ließ sich auch nicht finden für den Kamm. Was ärgerlich war. Wobei er ja eigentlich niemandem gefallen musste. Schon gar nicht einer Frau.
Bei dem Gedanken entfuhr Don Rosario ein seltsamer Ton. Eine Mischung aus Lachen und Seufzen. Als Priester war er schließlich mit dem Herrn verheiratet. Und vermutlich legte der nur wenig Wert auf gutes Aussehen.
Dennoch, sein Haar hatte Don Rosario gerne ordentlich. Und vielleicht fand er ja doch noch einen Kamm. Einen mit ganz eng aneinanderliegenden Zähnen.
Mühsam versuchte Don Rosario sich im Bett aufzusetzen. Jetzt hatte er schon die Matratze auswechseln lassen, um es einfacher zu haben, und es klappte immer noch nicht. Selbst die härtere Unterlage erleichterte ihm das Aufstehen nicht. Morgens fühlte er sich nun solidarisch mit jeder Schildkröte auf der Welt, die irgendwie auf dem Panzer gelandet war. Genauso kam er sich nämlich vor.
Und diese Schmerzen in den Knochen, die zu einer unerträglichen Qual geworden waren, hatte er, wie er vermutete, der Feuchtigkeit zu verdanken, die sich in die uralten Mauern seines Zimmers geschlichen hatte. Im Konvent hätte er es bequemer gehabt. Ohne Zweifel. Aber was sollte er machen? Er bevorzugte es, inmitten seiner Gemeinde zu leben. Obwohl er sich manchmal vorkam wie jemand, der einen Sack voll Flöhe hüten musste, so konnte er sich ein Leben irgendwo anders doch nicht vorstellen. Die Gemeinde brauchte ihn. Und er brauchte die Gemeinde. So einfach war das.
Don Rosario rollte unelegant aus seinem viel zu kleinen Bett und landete erst einmal auf allen vieren am Boden. Plötzlich überkam ihn das dringende Verlangen zu fluchen.
»Herr, ich danke dir für diesen neuen Tag«, versuchte er seine Energie stattdessen in positive Bahnen zu lenken.
Nicht ohne Anstrengung richtete er sich endlich auf, stützte sich dabei am Bett ab und fischte dann blind nach seinen Hausschuhen. Sein Bauch war ihm dabei im Weg. Aber mit den Füßen tastete er den Boden ab und wurde fündig.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen musste. Sonntags wollte er in der Kirche alles perfekt haben. Und auf seinen Messner Antonio war nicht immer Verlass. Er war ein guter Mann, aber etwas langsam. Ein Gedanke, der Don Rosario erheiterte. Er selbst war auch nicht gerade schnell. Aber langsam plus langsam produzierte zufriedenstellende Ergebnisse.
Don Rosario hatte es nicht weit von seinem Zimmer bis zur Kirche. Genau genommen brauchte er nur dem Verlauf der Gasse zu folgen, um zur kleinen Piazza zu gelangen, von der aus man direkt die Stufen zur Kirche erreichte. Diese kleine Piazza liebte Don Rosario besonders. Oder besser die Bar, die sich dort befand. Aber es war Sonntag. Heute konnte er dort vor der Messe nicht halten. Wenn es ihm seine Tätigkeit als Priester aber erlaubte, so hielt er sehr gerne in Nicolas Bar, spielte mit den Rentnern Karten oder organisierte Turniere für die Jugendlichen. Dart, Tischtennis, Kicker. Ihm fiel immer etwas ein. Beschäftigung ist die beste Therapie, hatte seine Mutter stets gesagt. Und er hielt sich an diese einfache, aber effektive Lebensweisheit. Zumindest versuchte er es.
»Don Rosà!Caffè?«, rief ihm der alte Raffaele schon von Weitem zu. Der Rentner saß wie gewohnt an seinem Lieblingstisch vor der Bar.
»Später.Grazie.«
Don Rosario hob zum Gruß die Hand, blieb aber dann kurz stehen.
»Ich halte Ihnen bis dahin den Stuhl warm, Don Rosà!«
»Du solltest v