: Petra Tessendorf
: Böse See Kriminalroman
: Emons Verlag
: 9783960417927
: 1
: CHF 7.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 304
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Familiendrama vor atemberaubender Ostsee-Kulisse. Kommissar Paul Lupin, der bei seinem Vater Urlaub an der Ostseeküste machen will, findet dort alles andere als Ruhe. In einer stürmischen Nacht verschwindet die Besitzerin des Hohwachter Hotels, in dem Lupin senior ein Schreibseminar besucht. Haben die anderen Kursteilnehmer etwas zu verbergen? Wenig später kommt es zu einem unvorstellbaren Verbrechen. Lupin stellt Nachforschungen an und stößt auf einen fünfzig Jahre alten Schwur, der vielen Menschen zum Verhängnis wurde.

Petra Tessendorf stammt aus Wuppertal und hat dort viele Jahre als Reporterin für lokale Medien gearbeitet, bevor ihr erster Roman erschien. Die acht Jahre, die sie in Ostholstein lebte, schenkten ihr tiefe Einblicke in Land und Leute an der Küste, die sie in ihren Geschichten verarbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin, wo sie als Autorin, Lektorin und Dozentin für Kreatives Schreiben tätig ist. www.petratessendorf.de

Montag


Und so kam es also, dass ich noch einmal die Vaterfreuden erleben durfte. Wenn auch … Johann Lupin hielt inne. Sagte man »wenn auch«? Er schaute auf, im Raum war es still. Ein Räuspern hier und da, ein Magen knurrte, einmal knackte ein Knochen. Sind halt nicht mehr die Jüngsten, dachte er und zupfte gedankenverloren an seinem Kinnbärtchen. »Wenn auch« hört sich irgendwie komisch an, dachte er. »Wenn auch …«Je öfter ich das wiederhole, desto falscher klingt das.

Er musste dringend an seiner Grammatik arbeiten. Es war ihm ein bisschen peinlich, wenn er da Fehler machte und das dann auch noch vorlesen musste. Aber wozu hatte er schon Grammatik gebraucht in seinem Leben? Oder auch nur Rechtschreibung? Er war ja kein Deutschlehrer gewesen. Außerdem gab es doch diese Computerprogramme, die alle Fehler rot anstrichen. Johann hatte sich im Februar den sündhaft teuren Laptop gekauft und beherrschte ihn mittlerweile aus dem Effeff. Am liebsten war er im Internet, fuhr mit Google Street View durch Reykjavík oder Valparaíso oder machte Spiele für die Optimierung der Gedächtnisleistung. Er würde sich aber wirklich mal mit diesem Programm befassen müssen.

Johann kaute an seinem Stift.Wenn auch … Auch wenn wir, also meine Frau und ich … zum Donnerwetter, so ging das nicht!

»So, meine Lieben, kommen wir langsam zum Ende. Sie können natürlich noch den Absatz zu Ende schreiben.«

Die sanfte und warme Stimme Alice Veras riss Johann aus seinen Gedanken. Mist, dachte er. Ich habe schon wieder herumgeträumt und bin nicht fertig geworden. Das ist ja so wie in der Schule damals. Gütiger Himmel, dass ich so was noch mal erleben muss! Doch Johann schrieb unbeirrt weiter, während die anderen natürlich alle schon ihre Stifte beiseitegelegt hatten. Ihn beeindruckte das nicht. Sollen die sich doch schöntun, dachte er. Es entstand eine Stille im Raum, und als Johann aufschaute, waren alle Blicke auf ihn gerichtet. Einschließlich der Alices, den er so sehr mochte, dass es ihm egal war, dass er seine Aufgabe noch nicht zu Ende gebracht hatte. Die lächelte ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an.

»Ein Minütchen«, säuselte Johann, »ein winziges.«

»Natürlich, Johann, kein Problem«, erwiderte Alice und ging zur Terrassentür, um sie zu öffnen.

»Sie kommen zurecht?«

Johann wandte sich nach rechts. Neben ihm saß Ida Rossi, die kleine und runde Haushälterin vom Gut Havgart, die Johann bisher nur vom Sehen kannte und die bislang nicht die geringsten Anstalten unternommen hatte, näher mit ihm, dem Zugezogenen, bekannt zu werden. Dies war tatsächlich der erste Annäherungsversuch.

»Natürlich komme ich zurecht.« Was dachte die denn von ihm? Zugegeben, es war die erste Veranstaltung dieser Art, die Johann in seinem Leben besuchte. »Schreiben am Meer für Junggebliebene« hieß der Kurs, zu dem Johann sich in letzter Sekunde angemeldet hatte. Und die Zusage für einen freien Platz hatte er nur bekommen, weil eine Teilnehmerin gestorben war. Dass er jemals in einem Schreibkurs in Hohwacht sitzen würde, hätte er sich jedenfalls vorher niemals vorstellen können. Was sollte er schon seiner Nachwelt in geschriebener Form hinterlassen?