: Andrea Nagele
: Kärntner Wiegenlied Kriminalroman
: Emons Verlag
: 9783960412847
: 1
: CHF 6.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zwischen Wahnsinn und bitterer Realität - ein packender Psychokrimi, der Hochspannung garantiert. Helene traut ihren Augen nicht: In der Wiege ihres Sohnes auf der Säuglingsstation eines Klagenfurter Krankenhauses liegt ein fremdes Kind. Doch niemand glaubt der jungen Mutter. Kommissar Rosners Freundin Alice liegt einige Zimmer weiter und gerät immer tiefer in den Sog der Ereignisse. Als sich Helene schließlich zu einer Verzweiflungstat hinreißen lässt, schreitet Rosner ein . . .

Andrea Nagele, die mit Krimi-Literatur aufgewachsen ist, leitete über ein Jahrzehnt ein psychotherapeutisches Ambulatorium. Heute arbeitet sie als Autorin und betreibt in Klagenfurt eine psychotherapeutische Praxis. Mit ihrem Mann lebt sie in Klagenfurt am Wörthersee und in Grado.

Erster Teil


1


Rosner flucht.

Er tut es leise, kaut an seinen Unflätigkeiten und frisst sie in sich hinein. Dabei signalisiert der Schmerz in seinem Magen schon seit Stunden ein »Unverdaulich«.

Das ist dieser Kreislauf, der bald zu Geschwüren führt, denkt er, aber wenn ich nicht fluche, dann platze ich auf der Stelle.

Er versucht sich wieder auf die Akte, die vor ihm liegt, zu konzentrieren, aber schon nach der Lektüre weniger Seiten beginnen die Zeilen vor seinen Augen zu verschwimmen.

Seit Wochen plagt er sich nun mit dieser Sache herum, kommt keinen Schritt weiter.

Der »fröhliche Weinberg«, so hat Rosner, in Anlehnung an ein Lustspiel von Zuckmayer, den Verbrecher zynisch genannt, der seit Längerem Klagenfurt unsicher macht. In mehreren Fällen ist der Maskierte nach Mitternacht in Wohnungen eingebrochen und hat, bei Konfrontation mit den Mietern, auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt. Überhaupt scheint es ihn nicht zu stören, bei seinen Raubzügen beobachtet zu werden. Überaus kräftig, schlägt er auf seine Opfer ein, fesselt sie mit Paketklebeband an Stühle und sucht unverfroren nach Wertgegenständen. Dabei bedient er sich, falls vorhanden, an den Weinvorräten der Wohnungsinhaber, um manchmal den Tatort erst nach Stunden wieder zu verlassen. Mit einem fröhlichen »Habe die Ehre, pfiat Gott« soll sich der Verrückte unter der Sturmmaske jedes Mal verabschiedet haben.

»Jetzt müssen wir uns schon mit auf Umgangsformen Wert legenden Säufern herumschlagen«, knurrt Rosner in Richtung Admira Spahic, die es sich wieder einmal nicht nehmen lässt, unangemeldet die spärlichen Pflanzen, die das Fensterbrett in Rosners Büro verschönen, zu gießen.

Seit dem großen Grillfest duzen sie sich, aber Rosner findet, wohl seiner momentanen Stimmung geschuldet, dass sich der Abstand zwischen ihnen dadurch eher vergrößert hat.

Ein Grillfest im Wintergarten, und das im Dezember.

Es war Alices Idee gewesen.

Zuvor aber hatte Rosner gelitten.

Alice, seine Alice, hatte sich zu einem zänkischen Weib gewandelt.

Eine Nervenschwäche, hatte Rosner, der sich selbst hin und wieder als ausgeglichenen Mann von Welt sieht, vermutet, denn Alice schien nervös, ja geradezu fahrig zu sein. Und fiel nur ein einziges falsches Wort – immer, so lautete der Vorwurf, kam es von ihm –, dann konnte sie aus der Haut fahren, konnte zischen und fluchen.

Und einmal, als er auf seinem Standpunkt beharrte, na gut, er hatte zu laut und vielleicht auch ein bisschen zu nachdrücklich darauf bestanden, war sogar ein Teller geflogen.

Dabei schien ihr körperlich nichts zu fehlen. Die magere Alice mit den spitzen Knochen hatte sogar zugelegt, ein wenig runder war sie geworden, und Rosner gefiel das gut, aber dafür brach sie öfters in Tränen aus, und wenn er sie trösten wollte, wegen was auch immer, verließ sie nicht selten den Raum und ließ die Tür hinter sich ins Schloss krachen.

Nein, so wäre das nicht weitergegangen. Das wollte er nicht. Er, der die Dinge gern an sich herankommen lässt, denn vi