Das Geräusch zerriss die Stille am Ufer und weckte sofort ihre alten Instinkte. Sie hätte es überall erkannt.
Valerie hatte am Kanal gesessen und den Enten zugesehen, die sich von Frühlingsgefühlen umgetrieben auf dem Wasser jagten. Als das verstohlene metallische Klappern an ihre Ohren drang, stand sie auf und spähte den Abhang hinauf. Im Schatten unter dem Brückenpfeiler entdeckte sie ein Mädchen. Ungefähr dreizehn, dünn und mit einem unordentlichen dunklen Zopf. Es war genau, wie Valerie es geahnt hatte. Die Kleine hatte gerade eine Spraydose aus ihrer Schultasche geholt, sah noch einmal nach rechts und links und begann dann auf den Backsteinen eine wilde, trotzige Kritzelei. Valerie sah einen Moment zu, dann blickte sie auf die Uhr. Kopfschüttelnd stieg sie die Böschung hinauf. Das Mädchen war so in sein Werk vertieft, dass es vor Schreck die Dose fallen ließ, als es Valerie schließlich bemerkte. Erst wollte es die Flucht ergreifen, dann fiel ihm die Schultasche ein. Halb trotzig, halb schuldbewusst blieb es stehen. Valerie bückte sich nach der Dose. »Darf ich auch mal?«
Das Mädchen starrte sie nur verblüfft an. Valerie hatte sich längst geschworen, dies nicht mehr zu tun, aber es gab Verführungen, denen man nicht widerstehen konnte. Die Farbdose fühlte sich so vertraut in ihrer Hand an. Schon war der ungebrochene Drang, ihre Stadt bunter zu machen, wieder da. »Du machst es noch nicht ganz richtig«, sagte Valerie. »Erst musst du die Dose gründlich schütteln. Nicht nur so halbherzig.« Sie wies auf die matte Kritzelei. »Sonst ist deine Farbe viel zu wässerig. Ist doch schade drum. Eine Farbe muss leuchten. Siehst du, so! Ganz locker aus der Armbewegung heraus, aber kräftig. Das ist auch ein bisschen feierlich, wie eine Beschwörung. Gute Graffiti verlangen nach einer Zeremonie.« Wahrscheinlich interessierte das