1. Kapitel
Als das alte Schild des Campingplatzes vor mir auftauchte – comicartige große braune Buchstaben und ausgerechnet ein comicartiger bunter Papagei, als ob Papageien an der kühlen Südostküste Englands heimisch wären –, war das wie ein Tritt in die Magengrube. Der kalte Schweiß brach mir auf Stirn und Rücken aus, und ich musste an die Seite fahren. Katie, sicher angeschnallt auf dem Rücksitz, beugte sich so weit vor, dass ich den Sicherheitsgurt klicken hörte.
»Was ist denn los, Tante Charlie?«
»Alles in Ordnung, ich muss nur kurz … nachdenken.«
Mir war sofort klar, wie dumm das klingen musste, denn wir standen nur etwa hundert Meter entfernt von der Abzweigung zum Campingplatz, der unser Ziel war. Dichte Hecken säumten die Straße, hinter denen sich, verdeckt durch Laub, Wohnwagen an Wohnwagen reihte. Die trübe winterliche Sonne verschwand rasch vom Himmel, schon bald würde es völlig dunkel sein. Auch wenn es überhaupt keinen Grund gab, dass ich so kurz vor dem Campingplatz angehalten hatte, standen wir hier.
Ich drehte mich um und lächelte Katie an. Das Mädchen war immer ernst und der Blick, den sie mir zuwarf, fast schon feindselig, als ob ich der schlimmste Mensch auf der Welt sei. In dem düsteren Licht sah ihre Haut fast schon unnatürlich weiß aus, während die Stelle auf ihrer Nase mit den vielen Sommersprossen grau erschien. Ihr Haar, dunkelbraun und vorn zu einem strengen Pony geschnitten, fiel ihr locker über die Schultern und war leicht fettig, was mich stutzig machte. Denn fettiges Haar bedeutete, dass sie bald ein pubertierender Teenager sein würde. Ein Umstand, der mich irgendwie beunruhigte.
»He, das wird lustig«, sagte ich in dem für Erwachsenen typischen Tonfall, wenn sie sich selbst noch von einer Sache überzeugen mussten. »Nur wir beide, ein paar Wochen. Du kannst tun, was du willst – spielen, malen, an den Strand gehen. Alles, worauf du Lust hast. Und ich werde weiter für mein Buch recherchieren. Wenn du möchtest, kannst du mir dabei helfen.«
»Ich weiß«, sagte sie ausdruckslos. »Das hast du schon einmal gesagt.« Sie scharrte mit den Füßen im Fußraum, die in übergroßen bunten Turnschuhen mit regenbogenfarbenen Schnürsenkeln steckten. Sie trug eine ausgefranste Bermuda-Shorts und ein schlabbriges T-Shirt. Zum ersten Mal verspürte ich kurz Besorgnis. Das war nicht die passende Kleidung für Januar, auch wenn es im Auto warm war und der Wohnwagen über ein Heizgerät verfügte. »Können wir jetzt weiterfahren?«
Ich nickte, und meine aufgesetzte Fröhlichkeit versickerte im Autositz. Ein paar Sekunden lang saß ich wie erstarrt da, nicht bereit, diesen letzten Schritt zu machen. Das war keine gute Idee, oder? Doch dann dachte ich an den Brief, und ich ließ wortlos den Motor an.
Ich bog in die von hohen Nadelbäumen gesäumte Einfahrt, und die Reifen knirschten auf dem Kies. D