: Lucie Flebbe
: Fliege machen Lila Zieglers dritter Fall
: Grafit Verlag
: 9783894258498
: 1
: CHF 7.30
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 250
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Hund ist schuld, dass Lila Ziegler auf der Straße landet: Ein Obdachloser, der :Fliege9 genannt wird, verschwindet aus Molles Kneipe und lässt sein Tier zurück. Der dicke Wirt bittet Privatdetektiv Ben Danner und Lila, den rechtmäßigen Hundebesitzer zu suchen, um den kleinen Kläffer wieder loszuwerden. Ein Freundschaftsdienst, der sich nebenbei erledigen lässt, so glauben alle drei. Doch dann muss Danner Prügel einstecken und Lila macht sich mit den Gesetzen der Straße vertraut. Sie mischt sich unter die obdachlosen Kids - und das mitten im Winter. Was als eiskalter Job beginnt, wird bald tödlicher Ernst ... Lucie Flebbe kann es einfach: Auch Lilas dritter Fall besticht durch den unnachahmlichen Erzählstil und das Eintauchen in ein höchst ungewöhnliches Milieu - Krimikunst vom Feinsten!

Lucie Flebbe (vormals Klassen) kam 1977 in Hameln zur Welt. Sie ist Physiotherapeutin und lebt mit Mann und Kindern in Bad Pyrmont. Mit ihrem Krimideb?t 'Der 13. Brief' mischte sie 2008 die deutsche Krimiszene auf. Folgerichtig wurde sie mit dem 'Friedrich-Glauser-Preis' als beste Newcomerin in der Sparte Romandeb?t ausgezeichnet.

2.


Es war Viertel vor sieben an diesem Montagabend, als ich durchgefroren die Kneipe in Bochum-Stahlhausen erreichte. Der SchriftzugBei Molle leuchtete einladend neben einer Werbung für das Bier der BochumerFiege-Brauerei. Die Hände tief in den Taschen meiner alten Cordjacke vergraben, stieß ich die Tür mit der Schulter auf.

Der Laden war eine echte, altmodische Kneipe, mit beige gefliestem Boden und einem mit Spirituosenüberfüllten Regal hinter dem glänzend polierten Tresen. Die Polster der hölzernen Stühle und Sitzbänke waren passend zu den Tischdecken rot kariert. Es gab Fußballfotos und VfL-Flaggen an den Wänden, ein elektronisches Dartspiel, einen Flipper und einen Computer, an dem man für zwei Euro Trivial Pursuit spielen konnte.

Müde ließ ich mich auf einen Stuhl am Tisch direkt neben der Theke plumpsen:»Hi, Molle.«

Was für bescheuerte Arbeitszeiten! Bisher war mir verborgen geblieben, dass Kindergärtnerinnen Schicht arbeiten mussten. Aber tatsächlich wurden die ersten Kinder morgens um halb sieben abgegeben und die letzten erst gegen neunzehn Uhr wieder abgeholt. Dass Mütter ihre Berufung neuerdings nicht mehr in der Rolle der preisgünstigen Haushälterin ihrer Ehemänner fanden, sondern sich flexibel und motiviert an die Zweiundzwanzig-Uhr-Öffnungszeiten beiPenny anpassten, war für Erzieherinnen kein Anlass zur Freude.

Und für ausgebeutete Praktikantinnen war das ein Fluch. Den Vormittag von sieben bis zwölf hatte ich bei den Vormittagsschlümpfen verbringen dürfen. Nach einer arbeitnehmerfeindlichen dreistündigen Mittagspause ging es von drei bis sechs weiter mit den Nachmittagsgnomen. Teildienst nannte man diese freizeitverhindernde Elf-Stunden-Schicht. Wohl der Grund, aus dem im Gegensatz zu mir die meisten der Kindergärtnerinnen halbtags arbeiteten. Nur Noch-Single Doro war genauso lange anwesend wie ich.

Der Wirt wischte sich die vom Spülen nassen Hände an der Schürze ab, die stramm seinen Bauch umspannte. Er kam um die Theke herum und schob mir einen großen, dampfenden Becher unter die Nase:»Mach ruhig Feierabend, Lila. Ich schaff das hier heute Abend schon allein.«

Ich schloss meine steifen Finger um die Teetasse:»Quatsch. Ich bin gleich wieder fit.«

Das warme Porzellan erzeugte ein schmerzhaftes Pochen in meinen rot gefrorenen Händen.

Im gleichen Moment schlang sich ein kräftiger, männlicher Unterarm um meinen Hals, nahm mich in den Schwitzkasten. Ich ließ den Becher stehen, krallte meine Finger in den kratzigen Strickärmel und versuchte fluchend, mich zu befreien– aussichtslos.

»Kannst du mir vielleicht verraten, wie deine moppelige Kollegin auf die Idee kommt, sie und ich hätten viele Gemeinsamkeiten?«

Lachend japste ich nach Luft.

»Keine Ahnung, warum alle Frauen auf deinen Gammellook fliegen«, log ich frech.

Danner dachte nicht dran, seinen Griff zu lockern. Er kippte mich mitsamt meinem Stuhl nach hinten und sah von oben auf mich herab:»Du hast mir das Huhn mit Torschlusspanik nicht zufällig auf den Hals gehetzt?«

»Nicht›zufällig‹«, grinste ich.»Ich hab ermittelt. Dafür bezahlst du mich, falls du dich erinnerst. Und deinen Hintern hast du immer noch selbst vors Fenster gehalten.«

Danners graue Augen funkelten.

»Immerhin hab ich herausgefunden, dass in unserer Gruppe kein fremdes Handy gefunden worden ist«, berichtete ich, noch immer kopfüber nach hinten hängend.

Danner runzelte die Stirn:»Moppelchen hat aber was anderes behauptet.«

Ich verdrehte die Augen:»Mann, du wirst doch nicht auf denältesten Trick der Welt reinfallen! Das Ding, mit dem sie dich angequatscht hat, war natürlich ihr eigenes Telefon. Die brauchte doch einen Vorwand, um dich angraben zu können.«

»Und hilfsbereit, wie du bist, hast du ihr den passenden Vorwand geliefert.« Abrupt ließ der Detektiv meinen Hals los und eine Sekunde später lag ich samt Stuhl auf dem Boden.

Während er sich auf einen freien Platz fallen ließ, rappelte ich mich hoch. Ich griff meine Teetasse:»Und was hast du heute rausgefunden?«

Molle stellte Danner ein Bier auf die karierte Tischdecke.

Der Detektiv zuckte die Schultern:»Berti ist kein Genie, aber seinen Job nimmt er sehr ernst. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der sich eine Erpressung ausdenkt.«

Das war nämlich der Grund, aus dem Simone Müller-Wunk, Leiterin der Kindertagesstätte Zwergenland, die Detektei Danner mit den Ermittlungen im Kindergarten beauftragt hatte. Die gepflegte, eher streng wirkende Diplom-Pädagogin hatte eine kurze, aber offenbar heftige Affäre mit dem dicken Berti gehabt. So heftig immerhin, dass auf dem Handy der Kindergartenleiterin mehrere Videos entstanden waren, die zeigten, wie der Hausmeister die schicke Rothaarige auf ihrem Schreibtisch beglückte.

Zu gern hätte ich gewusst, wie genau das ausgesehen hatte, denn meiner Meinung nach konnten weder d