Fee Norden stellte die Kanne mit dem frischen Kaffee auf den Frühstückstisch und setzte sich. Ihr Mann Daniel war bereits in die Morgenzeitung vertieft, während Désirée sofort ihre Tasse füllte und dabei seufzte: »Bei dem Regenwetter werde ich ohne Koffein nicht munter. Der Herbst nervt.«
Dr. Daniel Norden legte die Zeitung beiseite und erinnerte seine Tochter: »Vor kurzem hast du dich über den viel zu heißen Sommer beschwert. Ich habe den Verdacht, das Wetter kann es dir in diesem Jahr nicht recht machen, Schätzchen.«
Das hübsche Mädchen mit dem leuchtenden Blondhaar lächelte verhalten. »Ich geb’s zu, Paps, ich bin zu anspruchsvoll. Aber im Moment könnte etwas Sonne nicht schaden, findet ihr nicht?« Sie warf einen missmutigen Blick aus dem Fenster, vor dem aus tief hängenden, grauen Wolken Schnürlregen fiel.
»Ich hätte gegen ein paar Sonnenstrahlen auch nichts einzuwenden«, gestand der Chefarzt und Leiter der Behnisch-Klinik seiner Tochter zu. »Vor allem, da ich heute arbeiten muss und nicht, wie ihr beiden, auf der faulen Haut liegen kann.«
Fee lachte leise, wobei ihre erstaunlich blauen Augen amüsiert funkelten. Nachdem sie fünf Kinder groß gezogen hatte, arbeitete sie wieder in ihrem Beruf als Ärztin. Sie war als Leiterin der Pädiatrie in der Behnisch-Klinik beruflich ebenso engagiert wie ihr Mann. »Wir haben eine lange Liste von Arbeiten im Haus, die heute erledigt werden müssen, Dan. Auf der faulen Haut liegen würde ich das nicht unbedingt nennen.«
»Also schön, ich nehme alles zurück. Wird denn diese Hausarbeitsorgie wenigstens ein feines Abendessen zeitigen?«
»Ihr redet schon übers Abendessen, während ich noch nicht mal gefrühstückt habe«, beschwerte Janni sich und ließ sich neben seiner Zwillingsschwester am Tisch nieder. »Der Professor«, wie er im Familien- und Freundeskreis genannt wurde, rückte seine Hornbrille zurück und lächelte einnehmend. »Was gibt’s denn?«
»Wir haben uns noch keine Gedanken darüber gemacht«, gab Dési zu. »Aber Mama und ich fahren nachher zum Biohof nach Unterschleißheim. Da gibt’s das beste frische Obst und Gemüse von ganz München. Daraus lässt sich bestimmt was zaubern, nicht wahr, Mama?«
»Obst und Gemüse?«, wunderte Janni sich und biss in eine Semmel. »Sind wir neuerdings Veganer?«
»Das nicht, aber eine gesunde Ernährung hat noch niemandem geschadet, stimmt’, Paps?«
Daniel Norden konnte ihr nicht widersprechen, Janni hingegen verzog den Mund. Er lebte nach dem Motto, dass ihm nur gut tat, was ihm schmeckte. Und »Kaninchenfutter« war eben nun mal so gar nicht sein Ding.
»Wenn euch auf dem Weg in die Pampa ein Huhn vors Auto läuft, bringt es mit«, bat er seine Schwester und erhob sich. »Ich muss los, treffe mich mit ein paar Kumpels.«
»Wollt ihr wieder mal den ganzen Tag vor dem Computer herum hängen und kindische Spiele machen?«
»Keineswegs, Schwesterherz. Wir treffen sich an der Uni mit einem Doktoranden, der uns was über Informatik erzählt.«
Dr. Norden horchte auf. »Heißt das, du hast dich definitiv entschieden, etwas in diese Richtung zu studieren?«
»Ganz sicher bin ich mir noch nicht, aber es läuft wohl darauf hinaus. IT, Richtung Medizin. Ich glaube, das ist das Richtige für mich.«
»Klingt gut«, befand sein Vater. »Halt mich auf dem Laufenden. Einen fähigen Computerspezialisten können wir in der Behnisch-Klinik immer brauchen.«
Dési lachte leise. »Der und fähig! Janni war schon mit fünf ein zerstreuter Professor. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, finde ich.«
»Das werden wir ja sehen, wer von uns beiden zuerst sein Studium abgeschlossen und einen Job gefunden hat.«
»Was soll das werden, ein Wettbewerb? Das fehlte noch!«
Janni triumphierte. »Dachte ich mir, dass du kneifst. Weil du genau weißt, dass ich dich um Längen schlagen werde. Du hast ja noch keinen Dunst, was du überhaupt studieren willst.«
»Na und? Ich finde schon was Passendes.«
»Da bin ich aber mal gespannt. Dann bis heute Abend.« Er grinste breit. »Und vergesst das Huhn nicht…«
»So amüsant eure kleinen Kabbeleien auch sind, ich muss ebenfalls los«, ließ Daniel sich nun vernehmen.
Fee begleitete ihn noch zur Haustür, wo sie einen zärtlichen Kuss tauschten, dann bat sie: »Komm nicht zu spät. Ich koche uns was Schönes.«
Er lächelte jungenhaft. »Schon überredet. Bis dann!«
Während Fee und ihre Tochter wenig später den Tisch abräumten, fragte sie: »Hast du schon ein bestimmtes Studienfach ins Auge gefasst?« Sie dachte daran, dass Dési mit Modedesign liebäugelte, war davon aber nicht sonderlich begeistert, denn das hätte wohl bedeutet, dass sie nach Paris oder Mailand gehen würde. Fee hatte schon so ihre Schwierigkeiten gehabt, die drei Größeren gehen zu lassen. Dass die Zwillinge noch da waren, hatte sie bis zu deren Abi getröstet. Nun hoffte sie im Stillen, dass sowohl Dési als auch Janni in München studieren würden.
»Kunstgeschichte reizt mich«, gab das Mädchen zu.
»Klingt viel versprechend.« Sie lächelte. »Lass dir trotzdem Zeit mit der Entscheidung. Es eilt ja nicht.«
»Heute werde ich mir darüber auch keine Gedanken mehr machen«, meinte Dési daraufhin