Kapitel eins
Es war der Sommer der Liebe. Um genau zu sein, war es bereits der dritte in Folge für mich. Und dieser versprach ausgesprochen heiß zu werden. Die Temperaturen auf Korfu, meiner Wahlheimat, am Ionischen Meer, überschritten täglich die dreißig Grad-Marke. Ich schwitzte, und die Saison boomte. Für Verschnaufpausen blieb aber keine Zeit. Hatte ich mir bei meinem Ex-Mann noch regelmäßige Wellnessanwendungen gegönnt, kam ich jetzt nicht einmal dazu, darüber nachzudenken. Jeglicher Luxus war in den Hintergrund gerückt, doch das kümmerte mich kaum noch.
Seitdem ich vor drei Jahren mit meiner Schwester Bina und meinem Mopsrüden Barnabas Deutschland verlassen hatte, war vieles anders geworden. Ich selbst eingeschlossen. DasSissis, unser gemütliches Café auf Acharavis Promenade, das zwischen Souvenirläden, Restaurants und Tavernen lag, lief gut. Trotz Griechenlands Wirtschaftskrise hatten wir es geschafft, unser Geschäft aufzubauen. Wir konnten davon leben. Sicher, es waren keine großen Sprünge möglich. Wir mussten klug haushalten, sparsam sein. Doch das hatte ich in Kauf genommen, als ich nach Korfu ausgewandert war. Obwohl ich schon lange kein Geld mehr für etwas ausgegeben hatte, was nichts mit dem Café zu tun hatte, fehlte mir nichts. Wir lebten in unserem Idyll, und es fühlte sich an wie damals, als Bina und ich mit Oma Inge in den Ferien hergekommen waren. Ich wohnte dort, wo andere sich hinträumten. Abgeschieden von schlechtem Wetter und der miesen Laune der Menschen in der deutschen Großstadt.
Mit Persephone, der Straßenhündin, hatte unsere Familie Zuwachs bekommen. Sie und mein Mops waren unzertrennlich, weshalb wir ihr ein Heim, ein Halsband und eine umfangreiche Wurm- und Impfkur verpasst hatten. Alles war so, wie es sein sollte. Und ich sehnte mich nicht zurück in mein altes, verplantes Leben. Wer hätte das gedacht? Meine Mutter Brigitte sicher nicht. Ebenso wenig wie Paul, mein Ex-Mann. Aber der interessierte mich ohnehin schon längst nicht mehr. Nach zehn Jahren Ehe, in der ich ständig zurückgesteckt hatte, war ich nun dran. Und bei all dem Streben nach einer eigenen Existenz hatte ich ihn gefunden: meinen Traummann. Den Mann, der mich so liebte, wie ich war. Mit all meinen Eigenarten. Ich musste mich nicht mehr verstellen, niemand sein, der ich nicht war. Bei Ilias war ich ein völlig neuer Mensch. Eine Frau, die von ihrem Partner begehrt und geschätzt wurde. Mit genügend Freiraum, sich zu entfalten. Zum ersten Mal erfuhr ich, was es hieß, ein Team zu sein. In jeder Lebenslage. Und endlich wusste ich, dass ich kein Sexmuffel war. Es hatte nie an mir gelegen, dass ich keinen Spaß an Intimität verspürt hatte. Mit Paul hatte ich schlichtweg den falschen Mann gehabt. Ilias überraschte mich ständig aufs Neue. Mit ihm war es jedes Mal ein Feuerwerk der Leidenschaft. Wir waren so vernarrt ineinander, dass uns jeder Ort recht war. Wenn uns die Lust überkam, ließen wir uns fallen – ganz egal wo. Was auch der Grund war, weshalb ich beim Anblick des Küchentischs jedes Mal grinsen musste, weil mich ein ziemlich plastischer Flashback überkam. Ilias und ich waren wie füreinander geschaffen. Er war kein Mann der vielen Worte und neigte nach wie vor zur Skepsis, aber damit kam ich zurecht. Unsere Beziehung beruhte ohnehin eher auf Taten. Ilias besaß viel Einfühlungsvermögen. Er war ein sensibler Mann, eine zarte Seele, die sich hinter einer überaus attraktiven männlichen Aura verbarg.
„Hast du die Fischabfälle entsorgt?“ Ilias steckte den Kopf durch den Türspalt, und ich unterbrach mein gedankenverlorenes