: Judith C. Vogt, Frank Schablewski, Andreas J. Schulte, Anja Grevener, Günter Krieger, Michael Kuhn,
: Michael Kuhn
: Mittelmosel Bittersüß Eine literarische Auslese von Trier bis Traben-Trarbach
: Ammianus-Verlag
: 9783945025550
: 1
: CHF 8.00
:
: Gemischte Anthologien
: German
: 232
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der bunte Mix aus Krimi, Liebe, Horror und Historischem bietet Lesevergnügen für Jung und Alt. Renommierte Autoren schicken den Leser auf eine literarische Reise an die Mittelmosel. Die vorliegenden Erzählungen ranken sich dabei auf individuelle und kreative Weise um die verschiedenen Weinlagen von Trier bis Traben-Trarbach. Dunkle Familiengeheimnisse, erotische Begegnungen, tödlicher Wein, eine detektivisch veranlagte Katze und eine lyrische Darstellung der biblischen Sintflut: Die Anthologie verknüpft Texte der unterschiedlichsten Genres zu einer bunten literarischen Mischung. Regionale und überregionale Autoren haben dem edlen Tropfen ein literarisches Denkmal gesetzt. Der Leser ist eingeladen, altehrwürdige Winzertradition, liebenswerte Dorfgemeinschaften, spannende Geschichten und witzige Anekdoten zu entdecken.

Günter Krieger: Wenn das vierte Lichtlein brennt

Ich, ein Taugenichts? Wer hat Ihnen das geflüstert? Vergessen Sie’s, ich bin alles andere als ein Taugenichts. Ich habe immer daran geglaubt, dass meine Pechsträhne eines Tages ein Ende haben wird! Nein,gewusst habe ich es. In meinen Träumen habe ich im Geld gebadet wie Dagobert Duck. Und wenn man fest an seine Träume glaubt, dann gehen sie in Erfüllung. Ja, Maria hat schon recht, wenn sie mich einen Träumer nennt. Aber nicht einen Augenblick lang hat dieser Träumer daran gezweifelt, dass der Tag der Wende kommen wird.

Was schert mich jetzt noch mein Job, den ich verlor? Nie wieder werde ich mich über idiotische Vorgesetzte ärgern müssen. Sobald ich meinen Plan in die Tat umgesetzt habe, können wir leben wie die Maden im Speck. Und der Rest der Welt kann uns kreuzweise. Maria wird zweifellos wissen wollen, wie ich an das Geld gelangt bin. Da die Wahrheit für sie inakzeptabel wäre, werde ich einfach behaupten, die Kohle im Spielcasino gewonnen zu haben. Okay, ich habe ihr zwar hoch und heilig versprochen, nie wieder ein Spielcasino zu betreten, aber ihr Ärger wird sich angesichts der Scheine, mit denen ich vor ihrer hübschen Nase wedeln werde, in Grenzen halten. Der Tag der Wende ist da, glauben Sie mir.

Dass dieser Tag ausgerechnet der vierte Adventssonntag sein würde, haben mir meine Träume nicht verraten. Endlich gibt es einen Grund, sich auf das nahende Weihnachtsfest zu freuen, vor dem mir gestern noch graute. Zwei Jahre lang – so lange bin ich inzwischen ohne Job – waren wir nicht in der Lage, uns ordentlich zu beschenken. Zugegeben, Maria ertrug die Leere unter dem Tannenbaum recht tapfer. Vielmehr fuchste es sie, dass ich meinen Kummer im Wein ertränkte.

»Der Wein bringt dich eines Tages noch um!«, sagte sie.

»Sicher nicht«, erwiderte ich.

»Doch, der Wein ist dein Tod, lass es dir gesagt sein!«, beharrte Maria prophetisch. Nun ja, dachte ich, es gibt schlimmere Tode, als nach drei Flaschen besten Trierer Deutschherrenbergs den Löffel abzugeben. Wenngleich ich zugeben muss, dass der edle Riesling viel zu schade ist, um sich damit die Kante zu geben. Es ist, um ehrlich zu sein, sogar eine Schande, ja geradezu barbarisch. Zum Betrinken wäre Sangria im Tetrapak wesentlich geeigneter. Und preiswerter wäre es auch. Wie auch immer, den Heiligen Abend verbrachte ich besoffen auf dem Sofa. Maria behauptet, ich hätte unflätige Lieder gesungen, aber ich erinnere mich nicht.

Dieses Jahr wird alles anders sein. Maria zuliebe werde ich sogar nüchtern bleiben, auch wenn es diesmal einen guten Grund gäbe, sich den Hals volllaufen zu lassen.

Angefangen hat alles heute Nachmittag, als ich mich auf dem Sofa vor der Glotze räkelte und Maria die vierte Kerze des Adventskranzes mit einer Feierlichkeit entzündete, die ich für unangebracht hielt. Der tadelnde Blick meiner Frau war nur schwer zu ertragen, und ich überlegte fieberhaft, wie ich dieser