Kapitel 1
Privatdetektiv und Werwolf Raul Fuller war nicht überrascht, seinen Klienten an dessen üblichem Tisch am Ende des Restaurants sitzen zu sehen, und eilte zu ihm hinüber. Ein kurzer Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass er zehn Minuten zu spät kam. Sein Klient würde sauer sein.
Thomas „Tom“ Morris war ein Mann, der großen Wert auf Routine und einen geregelten Tagesablauf legte. Er schätzte diese Gewohnheiten und würde sich nicht so einfach an eine Veränderung gewöhnen.
Raul hingegen war stolz auf seine Professionalität, und seinen Klienten schlechte Nachrichten zu überbringen war ein regelmäßiger Bestandteil seines Berufs.
Er bemerkte, wie sich ein anderer Mann – ein Formwandler, informierte ihn sein Wolf – von seinem Tisch erhob, seinen intensiven Blick auf Tom gerichtet.
Raul konnte es dem Typen nicht verdenken, dass er sich an Tom heranmachte. Tom war wie ein Läufer gebaut, hatte blondes Haar und die faszinierendsten blauen Augen, die er je gesehen hatte. Mit anderen Worten, schwer zu widerstehen. Sein Wolf drängte, um Dominanz bemüht, an die Oberfläche. Raul stieß unbewusst ein Knurren aus.
Der andere Formwandler wirbelte herum und sah ihn aus schmalen Augen an. Sekunden vergingen, während sie sich gegenseitig mit Blicken durchbohrten. Er spürte, wie der Bär des Wandlers seinen Wolf erschnüffelte, abcheckte, wer von ihnen das dominantere Raubtier war. Raul bleckte die Zähne, ließ den anderen Mann in seinen Augen erkennen, dass er nicht so einfach zurückweichen würde.
„Er gehört mir“, sagte er mit leiser, tödlich klingender Stimme.
Der andere Formwandler knurrte ihn an. Raul wich nicht von der Stelle, tat nichts, als seine Arme vor der Brust zu kreuzen und den braunen Umschlag an sich zu drücken, für den Fall, dass es zum Kampf kommen sollte. Normalerweise lief er nicht herum und brach willkürlich Streit vom Zaun, aber Tom fühlte sich auch nicht wie irgendeiner seiner anderen Klienten an. Raul war ein einzelgängerischer Wolf ohne Verbindungen zu irgendeinem Rudel oder Clan, in einer mittelgroßen Stadt, die von ständig miteinander im Streit liegenden paranormalen Gruppierungen regiert wurde, die bürgerliche Masken trugen, wenn sie es mit menschlichen Autoritäten zu tun bekamen. Als solcher war es besser, sich bedeckt zu halten. Wenn es um Tom ging, war er allerdings bereit, sich aus dem Fenster zu lehnen, um interessierte Parteien abzuwehren.
„Der Mensch trägt nicht deinen Geruch“, sagte der andere Mann schließlich.
Raul bemerkte, dass Tom die ganze Zeit nicht einmal in ihre Richtung gesehen hatte. Er hatte immer noch seine Kopfhörer auf und starrte weiterhin aus dem schmutzigen Restaurantfenster. Es gab nichts zu sehen, wie er wusste, abgesehen von kaputten Wohnblocks und aufgeplatzten Gehwegen. Raul verstand, warum Tom dieses Restaurant für ihre regelmäßigen Treffen gewählt hatte, bot es doch absolute Anonymität.
Zu dumm, dass ein Mann wie Tom leicht die falsche Art von Aufmerksamkeit erregte.
„Nein, er gehört einem anderen, aber für den Moment steht er unter meinem Schutz.“
Raul unterstrich seinen Standpunkt, indem er seine Reißzähne zeigte. Der Wolf in ihm lag auf der Lauer, bereit, zuzuschlagen, sich jeden Augenblick durch seine Haut ins Freie zu kämpfen.
Tom konnte zu Anfang leicht missverstanden werden, aber Raul konnte sich nicht daran erinnern, wann ein Mann das letzte Mal eine derartige Loyalität und einen solch übergroßen Beschützerinstinkt in seinem inneren Tier geweckt hatte.
Es wäre ein Grund zur Besorgnis, wenn er nicht wüsste, dass er Tom heute viellei