Prolog
21. Dezember 2012, 04:00 Uhr, Sydney, Australien.
„Aahhhh!“
„So ist es gut. Sie machen das ganz toll.“ Obwohl sein Körper um wenigstens ein paar Stunden Schlaf bettelte, hielt das Adrenalin Eli wach, als er nur noch zwei Stunden vom Ende einer achtundvierzig-Stunden-Schicht auf der Entbindungsstation entfernt war. Seine einzige Chance auf ein Nickerchen war durch die Ankunft von Abbey und ihrem Ehemann Frank unterbrochen worden. Eli hätte schwören können, dass es sich dabei um eine Verschwörung handelte, ihn wachzuhalten. Wie er überhaupt noch funktionieren konnte, wusste er selbst nicht so genau.
„Okay, es ist wieder Zeit, zu pressen“, sagte er sanft zu Abbey, die gerade zum ersten Mal Mutter wurde. Frank hielt ihre Hand, oder besser gesagt, sie umklammerte seine Hand wie ein Schraubstock. Es sah aus, als wäre die Blutzufuhr in der Hand des Mannes schon seit einiger Zeit abgeschnitten, aber Frank hatte sich nicht ein einziges Mal beschwert, sondern ermutigte seine Frau nur und beruhigte sie, so gut er konnte. Das war die Art von Geburt, die Eli bevorzugte; wenn die Eltern einander nicht anschrien und einfach nur froh waren, ihr Kind auf die Welt zu bringen. Ja, er wusste, dass es schmerzhaft war, aber er hasste es dennoch sehr, wenn die Frauen hysterisch wurden.
Der Kopf schob sich durch und Eli machte sich daran, die Atemwege des Babys zu reinigen. Eine weitere Presswehe, und er hielt das Neugeborene, welches einen stockenden Atemzug nahm, bevor es einen Schrei ausstieß, weil man es in die kalte, unbarmherzige Welt hinausgestoßen hatte.
Die Eltern lächelten strahlend, als Eli das Neugeborene hochhielt, um es auf den Bauch seiner Mutter zu legen. „Es ist ein Junge.“ Die Worte waren kaum aus seinem Mund, da verwandelte der Säugling sich in einen Hund. Nein, es war eher ein Dingo.
Das konnte doch nicht wahr sein. Er kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf, dann öffnete Eli schnell seine Augen wieder und, jep, er hielt einen Dingo in den Händen statt eines Babys. Plötzlich war das Baby wieder da und schrie aus Leibeskräften.
Ohne zu zögern legte er das Kind auf den Bauch seiner Mutter, durchschnitt die Nabelschnur und ließ dann eine der Krankenschwestern schnell das Baby wegbringen, damit es saubergemacht wurde. Das konnte einfach nicht passiert sein und er hoffte, wenn er es einfach ignorierte, würden alle anderen das auch tun.
„Was ...“ Franks Mund blieb in Bewegung, aber es kam kein Ton heraus und seine Augen blieben auf seinen Sohn gerichtet. Plötzlich begegnete sein Blick dem des Arztes und er fragte: „Was ist passiert?“
Verdammt. Irgendwie glaubte Eli nicht, dass er gehen konnte, wenn seine Schicht vorbei war.
* * * *
Am selben Tag, 05:00 Uhr, ein kleines Dorf in Indien.
Murali lief, so schnell ihn seine Beine vom Haus seiner Familie, einer kleinen Hütte inmitten des Landes, das sie bewirtschafteten, wegbringen konnten. Er brauchte nur ein paar Minuten um Nanda zu erreichen, die Frau, die seiner Mutter helfen würde, seinen nächsten Bruder oder eine Schwester auf die Welt zu bringen. „Komm, komm schnell. Sie ist bereit“, sagte er zu Nanda, als sie an die Tür kam.
Als sie zur Bestätigung nickte, eilte Murali wieder nach Hause und ließ seine Eltern wissen, dass Nanda auf dem Weg war. Sobald er es seinen Eltern gesagt hatte, ging er hinaus, um sich zusammen mit seinen Brüdern und Schwestern an die täglichen Aufgaben zu machen.
Er war gerade erst acht Jahre alt geworden und mit jedem Geburtstag wurde seine Liste mit Aufgaben l