KAPITEL EINS
Blutroter Mond
Ein langer Tag lag hinter mir. Ich war müde. Erst die Arbeit im Café, dann die Party. Dank meiner neuen roten High Heels, die im Regal wesentlich bequemer ausgesehen hatten, brannten meine Füße. Eigentlich wäre ich nach der Arbeit lieber auf die Couch gefallen, hätte mir irgendetwas im Fernsehen angesehen, bis ich davor eingeschlafen wäre. Megan war jedoch meine beste Freundin und sie feierte ihre bestandene Zwischenprüfung in Psychologie. Zwei Gründe, weshalb ich mich auf ihrer Party hatte blicken lassen müssen.
»Du willst wirklich schon gehen, Sarah?«
Ich stand auf der Veranda der Blockhütte, aus der Hip-Hop dröhnte, und versuchte, Megans enttäuschte Miene nicht auf mich wirken zu lassen. Gelächter und das Aneinanderklirren von Flaschen waren von drinnen zu hören.
»Ich muss morgen früh raus!«, erklärte ich, während ich mir eine Strähne meines dicken rotblonden Haars hinters Ohr steckte, die zum wiederholten Mal in mein Sichtfeld gefallen war.
»Kann dein Vater nicht die erste Schicht übernehmen?«
»Er hat noch etwas zu erledigen. Ich habe ihm versprochen, das Café aufzuschließen.«
Megan wirkte wenig überzeugt.
Ich wollte ihr nicht sagen, dass meine Eltern einen Banktermin wegen der Hypothek hatten, die auf dem Café und unserem Haus lastete. Auch wenn ich ihr sonst alles anvertraute, die Sorgen wegen unserer miserablen finanziellen Lage wollte ich für mich behalten. Ich schämte mich dafür, und auszusprechen, wie schlecht es in Wahrheit um unser Café stand, wäre für mich einer Niederlage gleichgekommen. Ich wollte meine letzte Hoffnung nicht verlieren, dass sich vielleicht doch noch alles zum Guten wenden würde.
Megan stemmte die Hände in die Hüfte und legte den Kopf schief. »Ich möchte mal wissen, was mit dir los ist. Früher hättest du dir keine Party entgehen lassen.«
Ich lächelte sanft. »Das habe ich auch heute nicht. Ich kann nur nicht so lange bleiben. Tut mir leid! Du bist mir doch nicht böse?«
Megan klimperte mit ihren langen falschen Wimpern, dann kam sie auf mich zu und umarmte mich. »So ein Unsinn. Wieso sollte ich deswegen böse sein? Ich mache mir nur Sorgen um dich. In letzter Zeit siehst du ziemlich erschöpft aus. Meinst du nicht, dass du dich vielleicht etwas zu sehr in die Arbeit im Café reinhängst?«
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Megan betrachtete mich eindringlich. »Du solltest deinen Eltern sagen, dass es dir zu viel wird. Es ist schließlich ihr Laden. Sie können nicht von dir verlangen, dass du dafür deine Zukunftspläne hinschmeißt.«
»Tun sie nicht.«
Megan hob die Augenbrauen. Es war offensichtlich, dass sie mir nicht glaubte. »Was ist mit Edinburgh?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. »Ich kann jetzt nicht studieren gehen.«
»Weil deine Eltern dich brauchen«, sagte sie in einem leicht abfälligen Ton.
»Sie hindern mich nicht daran. Es ist nicht so, wie du denkst. Ein Studium ist im Moment einfach nicht möglich.«
Megan musterte mich eingehend. Sie presste bedauernd die Lippen aufeinander. »Na gut.« Sie drückte mich noch einmal an sich. »Fahr heim und hol dir eine Mütze Schlaf. Aber pass auf dich auf, ja?«
»Versprochen. Ich schreibe dir, sobald ich zu Hause bin.« Ich zückte die Autoschlüssel und ging zu meinem alten Mini Cooper, dessen hellblaue Farbe von Rostflecken durchwandert war. Die eingedellte Motorhaube stammte noch vom Vorbesitzer. Mit seinen zwölf Jahren war mein Mini sicherlich kein besonders schöner Wagen mehr, aber er erfüllte seinen Zweck, und das war entscheidend.
»Ach du Scheiße!«, rief auf einmal jemand hinter mir. E