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Da ist sie!« Ivy Perkins wies auf ein verwittertes Schild an einem verbeulten Briefkasten, der unter einem ausladenden nackten Busch kaum zu sehen war. »Die Four Roses Farm! Siehst du, Punkin?«
Vorsichtig trat Ivy auf die Bremse ihres Volvos, schließlich war die Straße stellenweise vereist.
Punkin hob kaum die Schnauze vom Beifahrersitz. Seit sie die Stadt Charlotte hinter sich gelassen hatten und der gleichmäßige Regen in Schneeregen übergegangen war, döste der Hund vor sich hin, eingelullt vom immer gleichen Rhythmus der Scheibenwischer und der fröhlichen Weihnachtsmusik im Radio.
Die Zufahrt zum Bauernhaus war voller Schlaglöcher. Während Ivy den Wagen langsam über den schmalen Weg steuerte, erweiterte sie im Kopf die Liste der Renovierungsarbeiten, die sie seit ihrem frühmorgendlichen Aufbruch in Atlanta zusammenstellte, um den Punkt »Zufahrt ausbessern«.
Dann kam das Haus in Sicht. Ivys Herz schlug schneller. Da war die Veranda, von der sie schon geträumt hatte! Da standen tatsächlich Schaukelstühle drauf! Vier schmale Backsteinschornsteine zierten die Ecken des einstöckigen Holzhauses, also hatte es wirklich vier Kamine. Seit Ivy das Haus auf der Immobilienseite im Internet ins Auge gesprungen war, hatte sie sich vorgestellt, wie sie im Wohnzimmer vor einem gemütlich knisternden Feuer sitzen und heißen Apfelwein trinken würde. Nun ja, tatsächlich hätte sie wohl eher einen guten Cabernet in der Hand. Punkins Körbchen stände neben dem Kamin. Ivy hätte endlich Zeit, klassische Musik zu hören. Und stricken zu lernen. Oder häkeln. Vielleicht sogar beides.
Beim Näherkommen fiel ihr auf, dass die Veranda in der Mitte ein wenig durchzuhängen schien – nein, sie war tatsächlich abgesackt. Das war auf den Fotos im Internet nicht zu sehen gewesen. Und der Außenanstrich sollte weiß sein? Vielleicht lag es ja am Licht, aber die Farbe war am ehesten mit geronnener Buttermilch zu vergleichen. Dabei hatte Ivy wohlweislich darauf geachtet, ihre Suchanfragen mit den Wörtern »Bauernhaus«, »alt« und »weiß« zu kombinieren.
Sie setzte den Punkt »Anstrich« auf ihre Liste.
Der holprige Weg riss Punkin aus seinem Nickerchen. Wachsam setzte er sich auf, seine Rute schlug auf das Lederpolster.
Ivy schielte zu ihm hinüber. »Was meinst du, Punkin? Richtig reinweiß ist es nicht, aber alt ist es auf jeden Fall, und da wir fast einen Hektar Land dabeihaben, ist es doch eine richtige Farm, oder?«
Seine Rute klatschte auf den Sitz. Das verstand Ivy als Zustimmung.
Seit ihrer Scheidung hatte sie sich angewöhnt, laut mit dem English-Setter-Mix zu sprechen, den sie aus dem Tierheim geholt hatte. Jedoch sagte sie nicht nur hin und wieder mal: »Willst du ein Leckerchen?« oder »Braver Kerl!«, wenn Punkin beim Gassigehen sein Häufchen gemacht hatte. Nein, Ivy führte umfangreiche, tiefgründige Unterhaltungen mit dem Tier. Sicher, er war ein besonders intelligenter, blitzgescheiter Hund, aber trotzdem …
Die Zufahrt endete abrupt vor einem kleinen roten Holzschuppen, dessen Farbe abblätterte. »Schau mal, Punkin!«, rief Ivy. »Das ist sie! Unsere Scheune! Die gehört uns ganz allein!«
Vor der Scheune parkte ein schwarzer Jeep, an dessen Motorhaube ein schlaksiger Typ in Jeans, Stiefeln und karierter Holzfällerjacke lehnte. »Aber wer ist das?«
Punkin stieß ein tiefes Knurren aus.
Ivy hielt vor dem Jeep und stieg aus.
»Hallo!«, grüßte sie und beäugte den Mann misstrauisch.
Unter seiner Baseballkappe lugte volles karamellbraunes Haar hervor. Auf seinen Wangen lag ein Bartschatten. Ivys Eintreffen schien ihn nicht im Geringsten aus der Ruhe zu bringen. »Hi«, gab er lässig zurück, machte aber keine Anstalte