Kapitel 2
Als Steven die Tür öffnete, dröhnte Rock-Pop-Musik aus dem Inneren der Wohnung. Emilia sah unsagbar viele Partygäste, die so eng nebeneinanderstanden, dass sie sich buchstäblich auf die Füße traten.
„Hi, ihr Süßen“, begrüßte er die Mädchen. „Kommt doch rein!“
„Was ist passiert? Hast du die halbe Schule eingeladen?“, begrüßte ihn Jenny verwundert.
„Das nicht, aber ich hab‘ die Fete bei Facebook angekündigt!“
„Da hast du ja eine schöne Bescherung angerichtet!“, konterte Jenny, bevor sie mit ihrer besten Freundin die Party-Höhle betrat.
Jenny beäugte den Gothic Style von einigen Jugendlichen.
„Kennst du die?“
„Ich habe ‘n paar Emos auf der Freundesliste!“, erwiderte Steven, wobei er Emilia in die Augen schaute. Aufgeregt lächelte er sie an.
„Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen!“
„Nein, das viele Schwarz ist nur etwas ungewöhnlich.“
Emilia bemühte sich, ihre Verlegenheit zu kaschieren.
Sie betrachtete das mittellange, schwarze Haar der Emotional Girls. Mehrere von ihnen hatten sich blaue, grüne oder rotviolette Strähnen ins Haar gefärbt.
Mühsam kämpften sie sich ins Wohnzimmer durch, wo sich die Stereoanlage mit zwei voluminösen Boxen befand.
Emilia beobachtete die Leute, die ungezwungen miteinander plauderten. Unter den Partygästen fiel ihr ein dünnes Mädchen auf. Während sie ihrem Gegenüber etwas erzählte und dabei mit den Händen gestikulierte, entdeckte Emilia seltsame Kratzer an ihrem linken Handgelenk.
Aus den Lautsprecherboxen schallte:„… Love hurts. But sometimes it’s a good hurt. And it feels like I’m alive …“
„Schau dir das Mädchen an, sie wurde doch von jemandem misshandelt“, flüsterte Emilia, indes sie die Verletzungen an dem Handgelenk des Mädchens betrachtete.
„Das ist Stacy“, stellte Steven die Unbekannte vor. „Soweit ich weiß, verletzt sie sich selbst.“
„Warum das?“, fragte Emilia verwundert.
„Um den Schmerz zu fühlen … “
„Ah ja, das klingt plausibel“, bemerkte Emilia ironisch.
„Manche wollen eben Schmerz“, versuchte Steven, die seltsame Gewohnheit seiner Facebook-Bekannten zu erklären.
„Manchmal braucht man das, um sich lebendig zu fühlen oder den eigentlichen Schmerz zu verdrängen.“
„Für mich sind das einfach nur Freaks, die sich mit einem Messer die Handgelenke aufritzen“, kritisierte Jenny die Emotional Habit. „Davon bekommt man Narben!“
„Die schlimmsten Narben schleppen sie in ihrer Seele herum“, fuhr Steven fort. „Aber davon mal abgesehen. Wollt ihr was trinken?“
„Gerne. Was gibt ‘s denn?“, wollte Jenny wissen.
„Cola-Whiskey oder Bier.“
„Deine Auswahl ist ja … famos!“, witzelte sie.
„Awesome!“
„Dann gib mir ‘ne Cola-Whiskey!“
„Hast du auch Cola ohne Alkohol?“, erkundigte sich Emilia schüchtern, da sie befürchtete, von dem Cocktail aus den Latschen zu kippen.
„Ach, nimm auch ‘ne Cola-Whiskey! Sei doch nicht so ‘ne Spießerin“, meckerte Jenny.
„Okay, gib mir auch eine Cola-Whiskey“, gab Emilia nach.
Steven nahm von dem zur Bar umfunktionierten Esstisch zwei Gläser, füllte diese zu einem Drittel mit Whiskey und goss die schäumende Cola bis zum Rand auf. Dann überreicht