Kapitel 1
Die Nacht hatte sich über meinen Campingplatz gesenkt und verschluckte den Wald am gegenüberliegenden Seeufer, die Johannisbeerbüsche und die Birken auf meinem Campingplatz. Nur die Wohnwägen und Wohnmobile waren erleuchtet, kleine, gemütliche Lichtinseln in der schwarzen Nacht.
Endlich hatte ich Zeit zum Durchatmen. Die letzten Tage vor der Sommersaison hier auf dem Campingplatz waren unglaublich stressig gewesen. Und so ganz war die Hektik des Tages auch noch nicht vorbei, denn es stand noch ein »kleines Event« bevor, wie Evelyn angekündigt hatte. Das hing eng mit einer Feuerstelle zusammen, die sie mit Alex bei der Scheune angelegt hatte, und ich war schon neugierig, was mich dort erwartete! Als Erstes wollte ich aber die Hunde rausführen, um später nicht noch einmal aufbrechen zu müssen.
Als ich mit Milo und Clärchen aus der Rezeption trat, blieb ich erst einmal stehen und ließ meinen Nacken kreisen. Der Himmel spannte sich nachtschwarz und von Milliarden von Sternen übersät über mir auf, und ich ließ meinen Kopf für eine Weile im Nacken ruhen. Dabei versuchte ich mich zu erinnern, ob ich jemals so einen fantastischen Nachthimmel gesehen hatte. Das lag vielleicht daran, dass zwei der Photovoltaik-Leuchten am Weg hinunter zum See ausgefallen waren und der Campingplatz deswegen besonders dunkel vor mir lag.
»Na komm«, sagte ich zu Milo, meinem alten Hundeherrn, und zupfte aufmunternd an der Leine.
Clärchen war schon längst Richtung See unterwegs, und Milo schlurfte etwas unwillig neben mir her. Innerlich schwärmte ich richtiggehend von meinem Platz. Wie unglaublich ruhig und still es doch bei mir war. Nur das Klatschen meiner Flipflops war zu vernehmen. Aus dem Klohäusl kam gerade ein Mann heraus, er war wohl duschen gewesen, denn er hatte nasse Crocs an. Als er mich überholte, hörte man das eilige »Quaatsch-Quaatsch« der Schuhe, während er schnellen Schrittes zu seinem Zelt lief. Ich sah ihn zwar nicht so genau, aber das Zelt, das er ansteuerte, hatte ich den ganzen Nachmittag beobachtet. Die Platzwahl schien ein größeres Problem gewesen zu sein. Mindestens eine halbe Stunde hatte er das Zelt halb aufgebaut hin und her getragen, mit dem Kopf im Zelt steckend, weil die Frau immer wieder einen besseren Standort gefunden hatte. Und seine zwei kleinen Töchter hatten stets folgsam und ohne sich zu beklagen, die Isomatten – ebenfalls auf dem Kopf balancierend – hinterhergetragen. Ich hatte mir schon überlegt, den Hetzenegger hinzuschicken. Der war im Zeltaufbau einsame Spitze – vor allen Dingen bei der Auswahl des richtigen Standorts. Das war nämlich das A und O beim Campen, dass man sich die örtlichen Begebenheiten genau ansah, damit man nicht versehentlich in einer Kuhle campte oder von spitzen Steinen, die sich durch die Matte bohrten, um den Schlaf gebracht wurde.
Da Clärchen schon längst beim See unten war, zog ich Milo über die hölzernen Stufen hinter mir her, um dann beim Strand zu Milos Lieblingspinkelbaum hinter Evelyns Café abzubiegen. Dort war noch Licht, obwohl es schon längst geschlossen war, und ich sah durch ein Fenster, dass Vroni und Evelyn an einem der Tische saßen. Vermutlich über diverse To-do-Listen oder ihre Handys gebeugt. Beide waren Dauercamper auf meinem Platz. Evelyn hatte sich inzwischen als Cafébesitzerin und Influencerin einen Namen gemacht und wurde momentan sehr von Vron