: Ursula Poznanski, Arno Strobel
: Fremd
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644220713
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vertrau oder stirb Stell dir vor, du bist allein zu Haus. Plötzlich steht ein Mann vor dir. Er behauptet, dein Lebensgefährte zu sein. Aber du hast keine Ahnung, wer er ist. Und nichts in deinem Zuhause deutet darauf hin, dass jemand bei dir wohnt. Er redet auf dich ein, dass du doch bitte zur Vernunft kommen sollst. Du hast Angst. Und du verspürst diesen unwiderstehlichen Drang, dich zu wehren. Ein Messer zu nehmen. Bist du verrückt geworden? Stell dir vor, du kommst nach Hause, und deine Frau erkennt dich nicht. Sie hält dich für einen Einbrecher. Schlimmer noch, für einen Vergewaltiger. Dabei willst du sie doch nur beschützen. Aber sie wehrt sich, sie verbarrikadiert sich. Behauptet, dich niemals zuvor gesehen zu haben. Sie hält dich offensichtlich für verrückt. Bist du es womöglich? Eine Frau. Ein Mann. Je mehr sie die Situation zu verstehen versuchen, desto verwirrender wird sie. Bald müssen sie erkennen, dass sie in Gefahr sind. In tödlicher Gefahr. Und es gibt nur eine Rettung: Sie müssen einander vertrauen ...

Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie war als Journalistin für medizinische Zeitschriften tätig. Nach dem fulminanten Erfolg ihrer Jugendbücher 'Erebos' und 'Saeculum' landete sie bereits mit ihrem ersten Thriller 'Fünf' auf den Bestsellerlisten. Bei Wunderlich folgten 'Blinde Vögel', 'Stimmen' und 'Schatten'; gemeinsam mit Arno Strobel 'Fremd' und 'Anonym'. Inzwischen widmet sich Ursula Poznanski ganz dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.

1. Kapitel


Ich sehe das Aufflackern der Eingangsbeleuchtung nur durch Zufall. Weil mein Blick beim Haareföhnen auf das Badezimmerfenster fällt. Draußen ist Licht, wo keines sein sollte.

Jemand muss den Bewegungsmelder aktiviert haben, aber ich erwarte niemanden und werde den Teufel tun, die Tür zu öffnen, wenn es klingelt. Nichts gegen Überraschungsbesuch, doch das Letzte, worauf ich heute noch Lust habe, ist Ela, die mit zwei Flaschen Rotwein hier aufkreuzt und mir in einem stundenlangen Monolog erklärt, dass sie sich diesmal von Richard trennen wird, diesmal ganz sicher.

Nein. Mit ihrer miesen Beziehung muss sie heute allein klarkommen. Aber vielleicht sind da draußen ja auch nur die Zeugen Jehovas.

Ich stelle den Föhn eine Stufe höher, dann muss ich nicht einmal lügen, wenn ich behaupte, die Türglocke nicht gehört zu haben. Das dumpfe Unbehagen, das sich allmählich in mir ausbreitet, ignoriere ich. Ja, manchmal läuten Einbrecher an der Tür, um sich zu vergewissern, dass niemand im Haus ist, bevor sie zuschlagen. Hat man mir gesagt, ich bin noch nicht lange genug in Deutschland, um zu wissen, wie üblich das ist. Ich beherrsche zwar die Sprache, aber im alltäglichen Leben ist mir vieles immer noch fremd.

Bei einem harmlosen Klingeln sofort an etwas Schlimmes zu denken ist jedenfalls albern.

Meine Güte, so bin ich doch sonst nicht.

Kurz darauf geht die Eingangsbeleuchtung wieder aus.

Ich schalte den Haartrockner ab, schiebe den Vorhang des Badezimmerfensters ein Stück zur Seite und spähe hinaus. Keiner da. Weder ein Besucher noch jemand, der sich an Tür oder Fenstern zu schaffen macht.

Dad würde mich eigenhändig erwürgen, wenn er wüsste, dass ich allein in einem ungesicherten Haus wohne – an unserem Familiensitz in Melbourne finden sich mehr Überwachungskameras als am Pentagon. Auch ein Grund, warum ich froh bin, von dort weg zu sein.

Die nächsten Minuten bleibt es ruhig, und der Druck in meinem Inneren lässt langsam nach. Wird von Vorfreude abgelöst. Einem friedlichen Abend auf der Couch steht nichts mehr im Wege, und das ist großartig. Eine Tasse Tee, eine warme Decke und ein gutes Buch sind alles, was ich mir vom Rest des Tages noch wünsche – außer vielleicht jemanden, der bereit wäre, mir den Rücken zu massieren, keine Ahnung, woher das Ziehen zwischen den Schulterblättern kommt.

Vanilletee. Schon der Gedanke wärmt mich von innen. Ich schlüpfe in meinen Bademantel und öffne die Tür zum Flur, steige die Treppe nach unten und halte auf halber Höhe inne.

Da war … ein Geräusch. Ein Klirren. Im Haus, nicht von außerhalb. Jemand, der eine Fensterscheibe einschlägt? Nein, dafür war es nicht laut genug.

Sofort ist die Beklommenheit von vorhin wieder da, diesmal doppelt so stark. Meine Hand umklammert das Geländer, ich atme durch, reiße mich zusammen, steige eine weitere Stufe nach unten. Das ist doch lächerlich, sage ich mir, Einbrecher würden viel mehr Lärm machen. Sie würden Zeug zusammenraffen und versuchen, so schnell wie möglich abzuhauen –

Ein neues Geräusch. Kein Klirren diesmal, sondern ein Schaben. Wie eine Schublade, die geöffnet und wieder geschlossen wird.

Umkehren, ist mein erster Impuls. Ins Schlafzimmer laufen, die Polizei rufen. Mich verstecken.

Stattdessen kämpfe ich alle meine Instinkte nieder und bleibe stehen, denn mir wird klar, dass diese eine, vernünftige Möglichkeit mir nicht zur Verfügung steht. Mein Handy liegt in der Küche, mit fast leerem Akku. Ich habe es auf die Espressomaschine gelegt, gut sichtbar, damit ich nicht vergesse, es zu laden.

Doch genau aus Richtung Küche und Wohnzimmer kommen die Geräusche.

Noc