: Andrea Nagele
: Grado im Sturm Ein Adria Krimi
: Emons Verlag
: 9783960414872
: 1
: CHF 6.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Auge des Sturms Ein Junge wird Zeuge eines Mordkomplotts. Am nächsten Tag ist er spurlos verschwunden. Während die Polizei um Maddalena Degrassi fieberhaft nach ihm sucht, bricht ein verheerender Wirbelsturm über die Lagunenstadt herein und stürzt den idyllischen Adria-Ort ins Chaos. Eine Leiche und mysteriöse Knochenfunde geben Rätsel auf - und der Angst sind keine Grenzen gesetzt.

Andrea Nagele, die mit Kriminalliteratur aufgewachsen ist, leitete über ein Jahrzehnt ein psychotherapeutisches Ambulatorium. Sie betreibt auch heute noch in Klagenfurt eine psychotherapeutische Praxis. Mit ihrem Mann lebt sie in Klagenfurt am Wörthersee/Österreich und in Grado/Italien.

Tag 1

1

Der Himmel über Grado trug ein so tiefes Grau, dass er dunkel wirkte, dabei hatte der Abend noch gar nicht begonnen.

Emmanuele konnte sich Zeit lassen, der Supermarkt hatte noch eine Weile geöffnet.

Mit überkreuzten Beinen saß er auf einem abgebrochenen Stück Mauer und atmete den Geruch von Katzenpisse und scharf riechendem Unkraut ein. Nonna Marbella hätte den Namen sicher gekannt und aus Blüten, Blättern und Wurzeln vielleicht einen Tee gebraut. »Jeder Teil einer Pflanze birgt sein eigenes Geheimnis«, sagte sie immer. Meistens aber schmeckten diese Aufgüsse giftig, und schon beim Gedanken daran ekelte sich Emmanuele.

So wenig er Nonnas angeblich heilende Tees mochte, so sehr sehnte er sich danach, sie wieder im Wohnwagen vor der Kochplatte stehen zu sehen, sie in einer Sprache Lieder singen zu hören, die er nicht verstand.

Ihr wäre es auch gelungen, in seinem Streit mit den anderen Jungs aus der Wohnwagensiedlung zu schlichten, und mit großer Wahrscheinlichkeit hätte sie ihm geraten, die Finger von Susanna zu lassen.

Ob er allerdings diesen Rat beherzigt hätte? Emmanuele war sich da nicht so sicher. Nicht umsonst erzählte man sich, dass er ein sturer Kerl sei.

Unglücklich kramte er die Zigarettenschachtel aus der Tasche seiner Jeans und zog die letzte Kippe heraus. Mit plötzlichem Zorn zerdrückte er das leere Päckchen in seiner Hand und schleuderte es in den Rinnstein. Dabei fiel ihm auf, dass der Asphalt Risse hatte, so trocken war es in den letzten Wochen gewesen.

Der Schein der Feuerzeugflamme erhellte kurz sein scharfkantiges Gesicht.

Flammen. Sie hatten Nonna Marbella verbrannt, jetzt wartete ihre Asche in einer Urne auf der Anrichte seines ältesten Bruders auf die Ewigkeit. Er bezweifelte, dass das Wissen darum seiner Oma zu Lebzeiten behagt hätte.

Er blickte aufs Meer. Die schweren Wolken schienen sich noch weiter gesenkt zu haben. Durch die Äste der Pinien schimmerte das Wasser, es wirkte nahezu schwarz und dehnte sich bis zum Horizont. Auf den Wellen wirbelte schmutziger Schaum. Die Vögel in den Baumkronen machten Radau, und das Keppeln der Möwen am Strand tönte lauter als sonst.

Tiere spürten als Erste ein aufziehendes Unwetter, das wusste er von Nonna Marbella. Auch Schlimmeres erahnten sie, lange bevor die Menschen es bemerkten.

Wie viele andere, so war auch seine Familie nach dem großen Erdbeben in Umbrien nach Norden, in sicherere Zonen, geflüchtet. Mit neuen Erdstößen rechnete Emmanuele aber nicht, auch wenn die Vögel sich merkwürdig verhielten. Schon eher mit einem heftigen Regen, der nun jederzeit über Grado hereinbrechen konnte. Vielleicht sollte er einen Zahn zulegen, um trocken in den Supermarkt zu gelangen.

Es war unglaublich schwül. Das T-Shirt klebte Emmanuele am Rücken und an der Brust, das Hoodie hatte er sich um die Hüfte gebunden. Schweiß perlte auf seiner Stirn.

Die Spitz