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Am selben Morgen
»Bist du sicher, dass du fahren kannst?«
»Ja«, antwortet Bo.
»Bist du sicher, dass sie fahren kann?«, wiederholt Rachel die Frage, diesmal an Solomon gewandt.
»Ja«, antwortet Bo erneut.
»Besteht die Chance, dass du mit demSMS-Schreiben aufhörst, solange du fährst? Meine Frau ist hochschwanger, und ich möchte mein Erstgeborenes gern kennenlernen«, sagt Rachel.
»Ich schreibe nicht, ich checke nur meine Mails.«
»Na dann.« Rachel verdreht die Augen und schaut aus dem Fenster auf die vorübersausende Landschaft. »Du fährst zu schnell. Und du hörst Nachrichten. Und du hast einen Mordsjetlag.«
»Schnall dich an, wenn du dir solche Sorgen machst.«
»Na, das ist echt beruhigend«, murmelt Rachel, rückt rüber auf den Platz hinter Bo und lässt ihren Sicherheitsgurt zuschnappen. Der Platz hinter dem Beifahrersitz wäre ihr wesentlich lieber, denn von dort könnte sie Bo besser im Auge behalten, aber Solomon hat seinen Sitz so weit nach hinten geschoben, dass sie nicht bequem hinpasst.
»Außerdem hab ich überhaupt keinen Jetlag«, verkündet Bo, legt aber zu Rachels Erleichterung wenigstens das Smartphone weg. Doch noch während Rachel darauf wartet, dass Bos Hände wieder zum Steuer greifen, wendet Bo sich stattdessen dem Radio zu und klickt sich durch die Sender. »Musik, Musik, Musik, warum redet denn keiner mehr?«, brummt sie.
»Weil die Welt manchmal den Mund halten muss«, antwortet Rachel. »Aber egal, was mit dir ist –er hat eindeutig Jetlag. Und vermutlich keine Ahnung, wo er ist.«
Verschlafen öffnet Solomon die Augen, um zu zeigen, dass er mitgehört hat. »Ich bin wach«, verkündet er träge. »Ich bin bloß, na ja, ihr wisst schon …« Dann fallen ihm die Augen wieder zu.
»Ja, ich weiß, ich weiß, du willst nicht sehen, wie Bo fährt. Klar«, sagt Rachel.
Nach dem Sechsstundenflug von Boston nach Dublin, der um halb sechs heute früh gelandet ist, haben Solomon und Bo schnell am Flughafen Zähne geputzt, ihr Auto und dann Rachel abgeholt, und jetzt sind sie unterwegs ins County Cork, dreihundert Kilometer von Dublin entfernt im Südwesten Irlands. Zwar hat Solomon im Flieger die meiste Zeit geschlafen und ist trotzdem noch müde. Aber Bo war jedes Mal hellwach, wenn er im Flugzeug kurz einmal die Augen öffnete, um zu ihr zu schauen – sie hat buchstäblich jede Sekunde des Fluges genutzt, um sich sämtliche in der Bordauswahl vorhandenen Dokumentarfilme anzusehen.
Manche Menschen machen Witze darüber, dass man von Luft und Liebe leben kann. Solomon ist überzeugt, dass Bo von Information leben könnte, wenn sie wollte. Informationen nimmt sie mit astronomischer Geschwindigkeit auf, sie ist immer hungrig auf Nachschub, sie liest, hört zu, fragt und sucht überall nach Wissenswertem, bis kaum noch Platz für andere Nahrung übrig ist. Daher isst Bo auch kaum einmal in Ruhe, und die Information treibt sie zwar vorwärts, macht sie jedoch nie satt – ihr Hunger nach Wissen ist unstillbar.
Solomon und Bo wohnen in Dublin und sind von dort nach Boston geflogen, um eine Auszeichnung für Bos DokumentationThe Toolin Twins entgegenzunehmen, die bei der jährlichen Preisverleihung eines Monatsmagazins alsOutstanding Contribution to Film and Television ausgezeichnet worden ist. Es war die zwölfte Auszeichnung, die sie in diesem Jahr entgegengenommen haben, und es gab sogar noch einige mehr, bei deren Verleihung sie nicht zugegen sein konnten.
Vor drei Jahren sind sie dem Zwillingspaar Joe und Tom Toolin, die damals siebenundsiebzig waren, ein Jahr lang mit de