Kapitel 1
Der Butler beschäftigte seinen nimmermüden Geist mit Überlegungen zu seinem neuesten Fall, während er mit weit ausholenden Schritten die engen Gassen Hamburgs durchquerte. Dieses Mal war er sein eigener Klient, denn die Frage, die momentan seine gesamten logischen und deduktiven Fähigkeiten in Anspruch nahm, lautete: Wer versuchte gerade, ihn zu töten?
Seit er das Nobelhotel zwischen Alsterfleet und Bleichenfleet verlassen hatte, war er sich beobachtet vorgekommen. Inzwischen lag es gerade mal zehn Minuten zurück, seit er einem Anschlag entgangen war. Schlampig ausgeführt, aber nichtsdestotrotz um ein Haar erfolgreich. Das Geschoss hatte einen jungen Mann getroffen, der dem Butler entgegengekommen war und kurz vor ihm die Gehwegseite wechselte. Anstatt links an ihm vorüberzugehen, war der junge Mann nach rechts ausgewichen und dadurch zwischen den Butler und den Schützen geraten. Es musste sich um einen schallgedämpften Schuss gehandelt haben, denn es war nichts zu hören gewesen. Der Getroffene war noch zwei Schritte gegangen und dann zusammengebrochen. Unter anderen Umständen hätte der Butler sofort Erste Hilfe geleistet, doch er musste davon ausgehen, dass er das eigentliche Ziel war und der Attentäter es gleich noch einmal versuchen würde.
Wer wusste, dass der Butler sich in Hamburg aufhielt? Lady Marbely und er waren gestern recht spontan in die Hansestadt aufgebrochen. Sie befanden sich hier, weil Mylady eine neue Firma in ihr Imperium aufgenommen hatte. Ein Familienbetrieb, der vor dem Konkurs gestanden hatte und sich im Augenblick größter Not an die reichste Frau der Welt wandte. Nicht um Almosen zu erbetteln, sondern um ein seriöses, geschäftliches Angebot zu machen. Die finanziellen Probleme der Firma hatten zwei Gründe: Sie bezahlte ihren Angestellten gute Löhne und produzierte Qualität. Deshalb verpasste Lady Marbely der Firma eine gehörige Finanzspritze und beließ ansonsten alles beim Alten. Es gab keinen Grund, etwas an der Geschäftsleitung zu ändern. Diese Männer und Frauen wussten, was sie taten, und würden durch Myladys Starthilfe wieder auf die Beine kommen, ohne ihre Prinzipien und Standards aufgeben zu müssen.
Der Butler bezweifelte, dass der Anschlag auf ihn damit in Zusammenhang stand, denn das Geschäft war längst abgeschlossen. Er bog in eine Gasse zwischen zwei Häusern, die gerade breit genug für seine Schultern war. Dort konnte ihn niemand aus sicherer Entfernung erschießen, sondern musste dicht an ihn heran. Und in diesem Fall hatte der Butler ein Wörtchen mitzureden.
Er wartete ab. Momentan befand er sich außer Gefahr, hatte aber nicht zu viele Haken geschlagen, damit der Schütze an ihm dranbleiben konnte. Der Butler wollte nicht entkommen, sondern wissen, mit wem er es zu tun hatte, sonst würde er in nächster Zeit ständig mit einem weiteren Angriff rechnen müssen. Wenn er den Grund für den Angriff kannte, würde ihm das schon sehr weiterhelfen.
Der Butler überlegte, wer ihm wohl ans Leben wollte. Da kamen einige infrage. Vielleicht hatte es sich das Syndikat doch anders überlegt und Quiller sollte ihn als Mitwisser aus dem Weg räumen. Oder aber jemand wollte eines der Opfer r