: Tim Burton
: Mark Salisbury
: Tim Burton Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838720524
: 1
: CHF 18.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 368
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Tim Burton ist einer der originellsten und kreativsten Regisseure Hollywoods und zugleich Lyriker und bildender Künstler. Wie kaum einem anderen gelingt ihm regelmäßig der Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und kommerziellem Erfolg. Mit Filmen wie 'Edward mit den Scherenhänden', 'Nightmare Before Christmas' oder 'Sleepy Hollow' hat er eine eigene, visionäre Bilderwelt geschaffen und international eine große Fangemeinde gewonnen. Dieses Buch enthält eine Sammlung von Interviews, die der Herausgeber im Laufe der letzten zwanzig Jahre mit Burton geführt hat. Darin spricht der Regisseur erstmals offen und ausführlich über seine Kindheit in Kalifornien, die frühe Arbeit als Zeichner für Disney, wiederkehrende Motive in seinem Werk und über die Ursprünge seiner düster-grotesken Visionen. Eingeleitet wird der Band mit einem Vorwort von Burtons langjährigem Freund und Weggefährten Johnny Depp.

Im Winter 1989 war ich in Vancouver, British Columbia, um bei einer Fernsehserie mitzuwirken. Ich befand mich in eineräußerst schwierigen Situation: Vertraglich gebunden, rackerte ich mich wie ein Fließbandarbeiter für etwas ab, das in meinen Augen fast schon faschistoide Züge trug (Polizisten in der Schule… geht’s noch?). Meine Zukunft schien damals irgendwo zwischenCHiPs undJoanie Loves Chachi zu liegen. Mir blieb nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten: erstens die Sache bestmöglich durchzuziehen und mit einigermaßen heiler Haut davonzukommen, zweitens mich so schnell wie möglich feuern zu lassen und ein blaues Auge in Kauf zu nehmen oder drittens zu kündigen und mich verklagen zu lassen, um damit nicht nur mich selbst, sondern auch meine Kinder und Kindeskinder in den Ruin zu treiben. Wie gesagt, ein echtes Dilemma. Dank des weisen Ratschlags meines Anwalts kam Möglichkeit drei nicht in Betracht. Was Nummer zwei angeht, tja, ich hab’s versucht, aber es hat nicht geklappt. Deshalb bin ich schließlich bei Möglichkeit eins gelandet: Augen zu und durch.

Was sich als beinahe selbstmörderisches Unterfangen herausstellte. Ich war mit mir und diesem selbst auferlegten, nicht enden wollenden Freiheitsentzug (besser als die Arbeitslosigkeit, wie mir mein damaliger Agent versicherte) zutiefst unzufrieden. Ich steckte fest– als Pausenfüller zwischen Werbespots– und brabbelte zusammenhang- und gedankenlos die Worte irgendeines Drehbuchschreibers nach (weshalb ich auch gar nicht richtig mitbekam, welch ein Gift die Serie versprühte). Sprachlos und verloren wurde ich als Posterboy-Variante eines jungen Republikaners an die amerikanische Jugend zwangsverfüttert, als Fernsehheld, Teenie-Schwarm, Idol und Augenweide bewundert und als patentierte Plastik-Actionfigur an eine Packung Frühstücksflocken auf Rädern getackert, die mit dreihundert Sachen auf einen 20-Minuten-Ruhm als Brotboxverzierung zusteuerte. Ich war dabei, zu meinem eigenen Franchise-Unternehmen zu degenerieren.Über den Tisch gezogen und ausgenutzt. Ein Albtraum ohne Ende.

Und dann erhielt ich eines Tages ein Drehbuch von meiner neuen Agentin, das wie ein Geschenk des Himmels schien. Es war die Geschichte eines Jungen, der Scheren anstelle von Händen hat– ein unschuldiger Außenseiter in Suburbia. Ich habe es sofort gelesen und geheult wie ein kleines Kind. Die Vorstellung, dass sich jemand etwas so Brillantes ausdenken und filmisch umsetzen könnte, erschütterte mich zutiefst. Ich las es gleich noch einmal– und wurde sofort von einer Menge Bildern und Gefühlen bestürmt: Ich sah die Hunde wieder vor mir, die ich mal in meiner Jugend gehabt hatte, erinnerte mich an das Gefühl, begriffsstutzig und ungelenk zu sein, das mich als Kind oft geplagt hat, und an die bedingungslose Liebe, die nur Kinder und Hunde empfinden können. Ich war von der Geschichte dermaßen begeistert, dass es schon an Besessenheit grenzte… bis schließlich die Ernüchterung einsetzte. Schließlich war ich nur ein lausiger Fernsehschauspieler. Kein Regisseur, der einigermaßen bei Verstand war, würde mich für diese Rolle engagieren. In meiner bisherigen Laufbahn hatte ich mit nichts bewiesen, dass ich einer solchen Herausforderung gewachsen war. Wie konnte ich den Regisseur davonüberzeugen, dass ich Edward war? Dass ich diese Figur in- und auswendig kannte? In meinen Augen standen die Chancen gleich null.

Ein Treffen wurde arrangiert. Ich sollte den Regisseur, Tim Burton, kennenlernen. Ich bereitete mich darauf vor, indem ich mir seine anderen Filme anschaute:BEETLEJUICE,BATMAN,PEE-WEES IRRE ABENTEUER. Das Talent, das dieser Mann besaß, und seine magische Bildsprache raubten mir den Atem. Umso sicherer war ich mir, dass er mich niemals für diese Rolle in Betracht ziehen würde. Es war mir richtiggehend peinlich,überhaupt bei ihm vorzusprechen. Meine Agentin (vielen Dank, Tracey!) musste mich damals zwingen, zu dem Treffen zu gehen.

Ich flog nach Los Angeles und fuhr direkt zum Café des Bel Age Hotel, wo ich Tim und seine Produzentin, Denise Di Novi, treffen sollte. Ich zündete mir die x-te Zigarette dieses Morgens an, während ich in das Café schlenderte und nervös nach dem Genie Ausschau hielt. Und dann,PENG!, sah ich ihn hinter einer Reihe Topfpflanzen in einer Nische sitzen und Kaffee trinken. Wir begrüßten uns, ich setzte mich, und dann redeten wir… na ja, jedenfalls könnte man es so nennen– das erkläre ich später noch.

Mir gegenüber saß ein blasser, zerbrechlich wirkender Mann mit traurigen Augen und Haaren, die aussahen, als seien sie nicht nur von der letzten Nacht zerwühlt. Ein Kamm mit Beinen hätte um die Haarpracht dieses Typen einen weiten Bogen gemacht. Hier eine Welle, da eine einzelne Strähne, und d