: Katica Fischer
: Gordana
: epubli
: 9783756516315
: 1
: CHF 2.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 400
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gordanas spontaner Entschluss, in das vom Bürgerkrieg erschütterte Bosnien zu reisen, um auf eigene Faust Familienmitglieder herauszuholen, stößt bei ihrem Mann Julian weder auf Verständnis noch auf Zustimmung. Trotzdem bricht sie auf, weil sie glaubt, ihr Vorhaben innerhalb zweier Tage durchführen zu können. Sie ist jedoch kaum in Sarajevo angekommen, da muss sie feststellen, dass sie sich im Vorfeld ein völlig falsches Bild von der Situation gemacht hat. Die Gesuchten sind nicht zu finden. Und die Stadt ist plötzlich von der Außenwelt abgeschnitten. Als sie schließlich eine Möglichkeit findet, Sarajevo hinter sich zu lassen, nimmt sie die Chance wahr. Begleitet von Angst, Schmerz und Ohnmacht hetzt sie anschließend durch die Krisengebiete, nie sicher, was die nächsten Stunden oder Tage bringen werden. Allein ihr Wunsch, die geliebten Menschen unter allen Umständen finden zu wollen, treibt sie voran.

Geboren wurde Katica Fischer 1959 im ehemaligen Jugoslawien (heute Kroatien). In Marburg an der Lahn absolvierte sie sowohl ihre Schul- als auch ihre Berufsausbildung. Sie hat einen Sohn. Hauptberuflich arbeitet die Autorin aus Leidenschaft als Kinderkrankenschwester in einem Krankenhaus. Doch in ihrer Freizeit widmet sie sich oft der Entwicklung und dem Schreiben neuer Geschichten. Mittlerweile hat sie mehrere Buchveröffentlichungen und drei erfolgreiche Teilnahmen bei verschiedenen Schreibwettbewerben vorzuweisen. Hin und wieder verfasst sie auch ein Gedicht, das in der Regel ein Ausdruck eines momentanen Gefühls oder eine Reaktion auf ein aktuelles Ereignis darstellt.

„Weiß nicht genau“, erwiderte Manda. „Irgendeine Hilfsorganisation aus Deutschland, glaube ich. Könnten aber auch woanders herkommen. Aber ich meine, ich hätte einen der Ärzte Deutsch reden hören. So ’n paar Brocken habe ich nämlich im Zweiten Weltkrieg aufgeschnappt, als die Soldaten bei uns durch sind.“

„Sind sie hier fest stationiert?“, wollte Gordana wissen.

„Glaub ich nicht“, antwortete die alte Frau. „Als wir ankamen, waren sie gerade dabei, ihre Zelte aufzubauen. Und gestern habe ich gehört, dass man weitere Laster erwartet. Vielleicht mit Lebensmitteln. Vielleicht auch mit Winterkleidung. Was Genaues erfährt man hier sowieso nicht, weil sich alle naselang was ändert. Ich weiß nur eines ganz sicher: Wenn sie ein festes Lager aufbauen wollen, dann müssen sie sich beeilen. Es wird nämlich bald noch mehr Schnee kommen.“

„Weißt du, ob sie die Neuankömmlinge registrieren?“, fragte Gordana.

„Ja“, nickte Manda, „tun sie. Auch unsere Namen stehen jetzt in dem großen schwarzen Buch, weil wir uns ein paar Sachen haben geben lassen müssen. Ich wollte erst nicht, weil ich noch nie in meinem Leben um etwas gebettelt hab. Aber Nevena hat gemeint, wenn wir überleben wollen, müssten wir es tun. Schließlich könnten wir uns an unserem Stolz nicht satt essen.“

„Kluges Kind“, murmelte Gordana. „Wo ist die Registratur?“, fragte sie dann etwas lauter. „Ich meine, in welchem Zelt ist dieses schwarze Buch?“

„Da, wo wir auch unser Mittagessen geholt haben“, antwortete die alte Frau.

 

Obwohl sie immer noch sehr wackelig auf den Beinen war, machte sich Gordana gleich nach dem Gespräch mit Manda auf den Weg zum Zelt des Lagerleiters. Zunächst bedankte sie sich für ihre Rettung. Danach beantwortete sie die an sie gestellten Fragen und entschuldigte sich am Ende dafür, dass sie keine Papiere bei sich hatte.

„Mein Pass ist in meiner Jacke“, erklärte sie. „Und die ist noch in dem Bauernhäuschen, vor dem ich angeschossen wurde.“ Gleich im Anschluss gab sie eine Standortbeschreibung sowie einen kurzen Bericht über die Geschehnisse ab.

„Ich werde das melden“, versicherte der Lagerleiter ernst. „Auch wenn man den armen Leuten nicht mehr helfen kann, ist es für die Schutztruppe gut zu wissen, dass da Scharfschützen in der Gegend sind, vor denen man sich in Acht nehmen muss.“

Da nun bezüglich ihrer eigenen Person alles geklärt war, kam Gordana auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen.

„Radic? Unter Radic haben wir verschiedene Einträge. Wie ist denn der Vorname?“, wollte man von ihr wissen. „Jelena“, antwortete sie, wobei sie gleichzeitig versuchte, die auf dem Kopf stehende Namensreihe in dem Buch zu entziffern. „Jelena, Jovanka und Pero.“

„Nee, tut mir leid.“ Der Mann erweckte tatsächlich den Eindruck, als bedauere er zutiefst, dass er nicht helfen konnte. „Aber ich kann ja die Augen offenhalten“, versprach er. „Sobald jemand mit diesen Namen hier auftaucht, schicke ich sie zu Ihnen. In welchem Mannschaftszelt sind Sie denn untergekommen?“

„In gar keinem“, musste Gordana eingestehen. „Ich gehöre nicht zum Team.“ Weil ihr Gesprächspartner nun ein wenig irritiert drein sah, fand sie sich zu einer Erklärung genötigt. „Ich wohne in einem der Übergangszelte. Gleich unten, an der Brücke.“

„Aber … Sie sind doch Deutsche, nicht wahr?“ Ihre Aussprache war absolut akzentfrei, was eindeutig darauf hinwies, dass sie ihre Muttersprache gebrauchte!

„Ja, das bin ich“, erwiderte Gordana knapp.