An einem kalten, grauen Novembermorgen im Jahr 2016 versammelte sich eine kleine Menschenmenge auf einem vom Schnee frei geräumten Platz vor dem Moskauer Kreml. Sie waren gekommen, um der Enthüllung eines Denkmals für den Großfürsten Wladimir beizuwohnen, Herrscher der Kiewer Rus, »der erste russische Staat«, von 980 bis 1015. Die wichtigsten religiösen Oberhäupter Russlands – der Patriarch von Moskau und der ganzen Rus, der katholische Erzbischof von Moskau, der Großmufti, der Oberrabbiner und das Oberhaupt der buddhistischen Sangha – waren allesamt in ihren farbenprächtigen Roben anwesend. Der Legende nach wurde Wladimir auf der Halbinsel Krim getauft, damals Teil des Byzantinischen Reichs, und leitete damit die Bekehrung seines Volkes zur östlichen Orthodoxen Kirche ein.
Die Bronzestatue, mit einem Kreuz in der einen und einem Schwert in der anderen Hand, ragte gut zwanzig Meter hoch auf. Es war das letzte einer langen Reihe gigantischer Denkmäler für Wladimir, die allesamt seit dem Sturz des Kommunismus im gleichen kitschigen »russischen« Nationalstil aus dem 19. Jahrhundert gestaltet wurden. Andere russische Städte – Belgorod, Wladimir, Astrachan, Bataisk und Smolensk – hatten mit staatlichen Mitteln und öffentlichen Spenden bereits Denkmäler für den Großfürsten aufgestellt. Die Moskaue