: Sabine Stephan
: Silvia-Gold 19 Die verschlungenen Wege des Glücks
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732541188
: 1
: CHF 1.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Schrecklich! So findet Judith Gregorius die mehr oder weniger offensichtlichen Versuche ihrer Freundinnen, sie wieder 'an den Mann' zu bringen. Sie hat doch nicht mehr als zwanzig unglückliche Ehejahre abgestreift, nur um in die nächste Abhängigkeit zu stolpern.

Nein, nicht mit ihr! Es muss eine Lösung geben, um dieses Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Und beschwingt von ihrer Fantasie, 'erfindet' Judith einen Supermann, den es eigentlich gar nicht geben kann, so vollkommen ist er. Seltsam daran ist nur, dass er Patrick, ihrem Nachbarn, verteufelt ähnlich sieht ...

Das Telefon klingelte kurz vor sechs Uhr. Seufzend nahm Judith den Hörer ab. Sicher war es wieder eine ihrer Freundinnen, die ihr an diesem düsteren Regentag das Herz ausschütten wollte.

»Gregorius«, meldete sie sich.

»Ich bin’s«, sagte die immer ein wenig mürrische, gehetzt klingende Stimme ihres Mannes. »Du, ich bringe ein paar Leute zum Essen mit.«

Der Hörer wurde am anderen Ende der Leitung aufgelegt, bevor sie überhaupt Zeit fand, einmal zu atmen, erst recht, eine Frage zu formulieren.

Einen Augenblick starrte Judith das Telefon an, überlegte, ob sie zurückrufen sollte.

Also, hör mal, Bernhard, würde da wohl jede andere Frau sagen, darf ich vielleicht mal erfahren, wie viele Gäste wir haben, wann ihr kommt und ob ich auch noch einen Mitternachtsimbiss vorbereiten soll?

Ja, jede andere Frau würde das fragen – nur sie nicht.

Noch einmal seufzte Judith, nicht aus Zorn über die ständigen Erwartungen ihres Mannes – o nein. Mehr darüber, dass sie sich fügte, schweigend wie eine Hausangestellte.

Der Dielenspiegel gab ihr Bild wider, das Bild einer immer noch schlanken, wohlproportionierten Frau mit halblangen, dunkelblonden Haaren, ein wenig melancholischen blauen Augen und einem Mund, der beim Lachen tausend Grübchen hervorzauberte: auf den Wangen und sogar am Kinn.

Wann hatte sie eigentlich zuletzt gelacht?

Hör auf, dich zu bemitleiden!, verlangte die Stimme in ihr, die sie ständig zur Disziplin, oft auch zur Opferbereitschaft rief. Bernhard forderte das. Er war der geborene Pascha, und sicher bedauerte er es, nicht in einem Land zu leben, in dem sich Männer seines Einkommens einen Harem leisten durften.

Dass er seinen Erfolg ihrer Mitgift verdankte, zählte da natürlich nicht …

Ein Blick auf die Uhr. Schon nach achtzehn Uhr. Großer Gott, und nun? Was sollte sie ihren Gästen auftischen? Im Gefrierschrank gab es noch eine Minestrone, zu der sie dann nur noch die N