: Hera Lind
: Karlas Umweg Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426446027
: 1
: CHF 5.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Charmant, humorvoll und ein bisschen chaotisch: Der Bestseller von Hera Lind! Manche Frauen schreiben begeistert Tagebuch, andere ärgern sich darüber, dass in ihrem Leben eigentlich nichts Aufregendes passiert. So geht es auch der braven Musikstudentin Karla, die davon träumt, eines Tages als Pianistin Karriere zu machen. Doch dann macht sie die Bekanntschaft der ebenso berühmten wie exzentrischen Sängerin Marie - und findet sich kurze Zeit später als Kindermädchen und Putzfrau in deren Luxusvilla wieder. Noch dazu lernt sie den attraktiven Willem kennen, der allerdings einen entscheidenden Fehler hat: Er ist mit Marie verheiratet ...»Hera Lind schreibt Romane, deren Lästerton die Herzen der stolzesten Frauen trifft. « Die Zeit

Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit zahlreichen Romanen sensationellen Erfolg hatte. Mit ihren Tatsachenromanen, die alle auf wahren Geschichten beruhen, erobert Hera Lind immer wieder verlässlich die vordersten Plätze der SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrer Familie in Salzburg.

Gestern Abend nach dem Konzert hat mich Marie gefragt, ob ich Lust habe, mit ihr essen zu gehen. Echtwein müsste noch ein paar Arpeggien üben. Ich glaube aber, sie hatte einfach keine Lust auf ihn. Wir gingen in so ein gutbürgerliches Restaurant, wo vorne am runden Stammtisch der Männergesangsverein Bier trinkt und weiter hinten die Leute ihr Abendessen einnehmen. Marie sah umwerfend aus, selbst in Jeans und Pulli. Alle Leute guckten hinter ihr her. Es hingen Hirschgeweihe an den Wänden und Bilder von toten blutenden Gänsen und von bissigen Kötern, die mit hängender Zunge durchs hohe Gras hetzen, um Hasenkadaver zu apportieren. Ich fragte Marie, ob es ihr nun wieder gut gehe. »Es geht mir blendend!«, strahlte Marie und bestellte mit lauter Stimme eine Flasche Champagner. Das irritierte nicht nur den dicken Wirt, sondern auch den gesamten Männergesangsverein. Champagner wird hier vielleicht nicht so häufig bestellt.

»Ist das nicht ein bisschen zu teuer?«, fragte ich.

»Aber nein, den setzt Edwin von der Steuer ab!«, frohlockte Marie.

»Was gibt es denn zu feiern?«, fragte ich Marie, als wir das Essen bestellt hatten.

»Das Leben!«, strahlte Marie. Dann erzählte sie mir, dass auf dem Empfang neulich in der schwäbischen Kleinstadt am Neckar ein Mann gewesen sei, der Marie eindeutige Avancen gemacht habe. Ein Generalmusikdirektor aus Fulda, der sie im Konzert gehört – und vor allen Dingen gesehen hatte. Ich fragte Marie, ob sie ähnlich für diesen Mann empfinden würde wie er für sie, und sie antwortete nicht, sondern küsste nur ihr Champagnerglas.

Schließlich verriet mir Marie, glücklich kichernd, er sei Generalmusikdirektor und hieße mit Vornamen Robert und hätte sie eingeladen, bei ihm ein Hauskonzert zu geben. Er habe ein großes Anwesen mit einem Goldfischteich und einem Tennisplatz.

Etwas erstaunt fragte ich, was denn mit ihren heftigen Gefühlen für Edwin sei, aber sie winkte nur ab und machte »ph!«, und selbst dieses »ph!« war noch voll korrekt im Stimmsitz – etwa auf dem zweigestrichenen d. Es hätte eine Arie daraus werden können.

Ich brachte das Thema aus purer Neugier auf Willem. Willem deshalb, weil ich den Mann echt gut leiden kann. Ob sie sich schon bei ihm gemeldet hätte.

»Nein, warum?«

»Willst du denn nicht wissen, wie es Maximilian geht?«

»Dem wird es schon gut gehen bei Willem.«

»Hast du denn keine Sehnsucht nach deinem Baby?«

»Wieso? Ich bin auf Konzerttournee und ich konzentriere mich voll auf meine Aufgabe!«

»Ach, ich dachte nur so«, erwiderte ich kleinlaut. »In Romanen und Filmen haben Mütter immer Sehnsucht nach ihren Kleinkindern.«

»Ich definiere mich über mich und meine Kunst, nicht über meinen Mann oder mein Kind«, ließ Marie mich wissen. »Das tun die Hausfrauen aus Wanne-Eickel und deshalb ist diese Welt auch so schrecklich spießig.« Sie deutete an, sich übergeben zu müssen.

»Liebst du Willem eigentlich nicht?«, fragte ich mit klopfendem Herzen.

»Doch, irgendwie liebe ich ihn auch«, sagte Marie.

Mir sank das Herz in die Hose.

 

Die letzten Blätter fegen nasskalt von den Bäumen und ich sehne mich nach einem warmen Zuhause, einer Wärmflasche und einer Kuscheldecke. Stattdessen sitzen Echtwein und ich in einem zugigen Bahnhofsrestaurant und warten auf Marie. Sie weilt wohl immer noch bei dem Generalmusik