: Gabriele Diechler
: Elizabeth II. und die Lieben ihres Lebens Roman | Die bewegende Lebensgeschichte der Queen | Für alle Fans von »The Crown«
: Insel Verlag
: 9783458778066
: 1
: CHF 18.00
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 409
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Am 17. April 2021 muss Queen Elizabeth II. in der St. George's Kapelle in Windsor Abschied von Prinz Philip nehmen. Der Duke of Edinburgh war über siebzig Jahre ihr Fels in der Brandung. Am Morgen nach der Beerdigung blättert sie durch ihre Tagebücher und lässt ihr bewegtes Leben Revue passieren. Die Bilder ihrer Enkel vor Augen, erinnert sie sich an ihre eigene Kindheit, die Vorbereitung auf ihre künftige Rolle als Königin und Oberhaupt des Commonwealth, und wie sie plötzlich in sehr jungen Jahren die Verantwortung für das Königshaus übernehmen muss und es als ihre Hauptaufgabe ansah, den Bürgerinnen und Bürgern in Zeiten der Krisen als Symbol der Stabilität Mut zu machen und die Familie der Windsors zusammenzuhalten.

Gabri le Diechler erzählt vom Leben einer epochemachenden Frau, der wir als Mutter und Schwester, Schwiegermutter und später Urgroßmutter begegnen - doch nicht zuletzt als Königin, die es wie keine andere versteht, ein Symbol der Einheit in einer unsicheren Welt zu sein. Darin sieht sie zeitlebens ihre Aufgabe. Im Dienst an der Krone und der Liebe.



<p>Gabriele Diechler, in Köln geboren, lebt und arbeitet im Salzkammergut. Nach vielen Jahren als Drehbuchautorin und Dramaturgin widmet sie sich nun hauptsächlich dem Roman und Jugendbuch.</p>

2. Kapitel


18. April 2021

England, Schloss Windsor

Terry Pendry hielt Elizabeth' Lieblingspferd am Zügel.

»Guten Morgen, Eure Majestät. Emma ist bereit.«

Elizabeth zog die Enden ihres Seidentuchs fest.

»Danke, Terry. Heute ist ein herrlich milder Tag, nicht wahr?«

»Perfekte Voraussetzungen, um auszureiten, Ma'am. Der Tag könnte nicht schöner sein«, erwiderte der Gestütsleiter aufmunternd.

Seit langer Zeit war es das erste Mal, dass sie einen Ausritt im Windsor Great Park wagte. Sie war eine routinierte Reiterin, doch in letzter Zeit schmerzte ihr Rücken, weshalb sie kürzergetreten war.

Elizabeth wandte sich dem Pferd zu und sprach ihm gut zu. »Dann wollen wir mal, nicht wahr, Emma?«

Ein Leben ohne Pferde konnte sie sich nicht vorstellen; sie ritt, seit sie drei war. Allerdings war es in ihrem Alter wichtig, ein Pferd zu reiten, das sicher im Tritt war.

Elizabeth ließ von Emma ab und nickte Terry auffordernd zu.

Emma stand mucksmäuschenstill, als Elizabeth sich nach oben zog und die Füße in die Steigbügel schob.

Die Königin nickte Terry Pendry noch einmal zu und schnalzte. Augenblicklich setzte Emma sich in Bewegung.

Wie immer ging Elizabeth mit der Bewegung des Tieres mit und spürte, wie ein Gefühl der Lebendigkeit ihren Körper durchströmte. Der Wind streichelte ihr Gesicht. Elizabeth fühlte sich frei und beschwingt, geradezu alterslos. So hatte sie schon lange nicht mehr empfunden.

Sie ließ den Blick schweifen, auf die Bäume ringsum, die Wiesen und den Himmel. Alle Sorgen ließ sie los.

Sie war noch nicht weit gekommen, da fiel ihr ein, dass sie die Papiertüte mit der Karotte vergessen hatte. Nach dem Reiten wartete Emma immer auf ihre Belohnung. An dieses Ritual war sie gewöhnt.

Der aufflammende Ärger über sich selbst verklang. Von einer Karotte würde sie sich den Ausritt nicht verderben lassen.

Sie zog die Zügel an, um Emma zu bedeuten, langsamer zu werden, doch stattdessen verfiel die Stute in Galopp und wurde immer schneller.

»Emma …«

Elizabeth fuhr hoch. Von fern glaubte sie leises Wiehern zu hören, doch dann realisierte sie, dass es Vogelzwitschern war. Das Trillern und Zirpen der Vögel drang durch das geöffnete Fenster in ihr Schlafzimmer und mischte sich mit dem Pochen ihres Herzens.

Erleichtert ließ sie den Kopf zurück auf das Kissen sinken. Sie war aus einem Traum aufgeschreckt.

Sie sah auf die Uhr. 5.16 Uhr. Verschlafen kniff sie die Augen zusammen und drehte sich auf die andere Seite. Sie konnte noch weiterschlafen.

Den Geräuschen der Vögel lauschend, folgte sie ihrem Atem, drehte sich auf den Rücken und schob das Kissen zur Seite. Die Müdigkeit ließ sie gähnen, doch ihre Gedanken ließen sie nicht zur Ruhe kommen.

Sie sah Philip als jungen Mann vor sich, kurz darauf in seinen Vierzigern, danach mit Anfang sechzig. Schließlich sah sie ihn an seinem letzten Tag.

Das Gefühl der Trauer strömte durch ihren Körper.

»Philip«, murmelte sie in die Dunkelheit.

Sie vermisste ihn furchtbar.Duke of Hazard – Herzog des Risikos – hatten die Briten ihn liebevoll genannt. Sein Humor war der perfekte Gegenpart zu ihrer disziplinierten Sachlichkeit gewesen.

Viele, die ihr nahegestanden hatten, lebten nicht mehr. Es wurde jedes Jahr stiller um sie.

Elizabeth konnte kaum glauben, dass ausgerechnet gestern, am Tag von Philips Beerdigung, Sir Michael Oswald verstorben war. Er hatte achtundzwanzig Jahre langThe Royal Stud, das königliche Gestüt auf dem Sandringham-Anwesen, geleitet und war schon der Rennberater ihrer Mutter gewesen – einer der nettesten und charmantesten Männer, die sie kannte. Selbst in seinen Achtzigern war er ein Mann mit enorm viel Energie gewesen.

Elizabeth wandte den Kopf. Die Zeiger des Weckers bewegten sich kaum weiter. IhrenTwinings English Breakfast-Tee mit Milch und ihre geliebtenMarie Biscuits bekäme sie erst in gut zwei Stunden ans Bett gebracht.

Danach wartete ein Bad auf sie und gegen 9 das Frühstück.

Sie überlegte, ob sie heute Haferflocken mit getrockneten Aprikosen und Macadamianüssen nehmen sollte oder ein gekochtes Ei und Toast mit Marmelade.

In letzter Zeit hatten Philip und sie nach dem FrühstückBBC 4 gehört, doch Elizabeth scheute sich, das Ritual ohne ihn aufrechtzuerhalten.

Das Zwitschern der Vögel wurde lauter.

Sie dachte an die Aufgaben, die auf sie warteten. Die Arbeit half ihr, mit der Trauer umzugehen. Ohne Termine … wer war sie da?

Sie knipste das Licht an und nahm das Foto ihres Mannes vom Nachttisch. Es war eins der letzten, die es von ihm gab. Sie selbst hatte den wachen Ausdruck in seinen Augen festgehalten. Bis zuletzt hatte Philip interessiert, oft auch ungeduldig auf die Welt geblickt. Er hatte sich nie zurückgelehnt, um andere machen zu lassen. Desinteresse war nicht seine Sache gewesen.

»Wenn du und ich nicht mit gutem Beispiel vorangehen und etwas in Bewegung setzen, wer dann?«

Langsam ebbte der Schmerz ab, den sie jeden Morgen empfand, wenn ihr klarwurde, dass Philip nicht mehr da war. Elizabeth war niemand, der rückwärtsgewandt lebte. Lieber konzentrierte sie sich auf die vielbeschworene Gegenwart und die Zukunft.

Seit Philips Tod jedoch suchten sie ungewohnte Gedanken an die Vergangenheit heim. Sein Verlust gab ihr das Gefühl, einen Teil ihrer selbst verloren zu haben. Als sei sie nicht mehr vollständig. Und plötzlich schien es, als habe man nur noch die Erinnerungen mit diesem Menschen …

Ihre Stylistin Angela Kelly hatte sie nach der Beerdigung mit einem Blick, als wolle sie sie tröstend umarmen, in Windsor erwartet. Sie hatte diskret geschwiegen, während sie Elizabeth aus dem Mantel geholfen und sich ihres Huts angenommen hatte. Angela hatte geahnt, wie es ihr ging, und gewusst, dass Schweigen in dieser Situation das Beste war.

Ohne Mantel, Hut und Tasche hatte Elizabeth sich kurz darauf ins Wohnzimmer zurückgezogen. Sie hatte kaum das Geräusch der sich schließenden Tür wahrgenommen, froh, mit ihren Gedanken und Gefühlen allein zu sein. Die Polster hatten nachgegeben, als sie in die Couch gerutscht war. So hatte sie dagesessen, die Hände gefaltet, untröstlich wegen des Verlusts, der ihr widerfahren war.

Trauer war etwas ungemein Intimes. Niemand kam darum herum, sich dieser verstörenden Einsamkeit zu stellen. Und egal wie viele Familienmitglieder und Freunde einem blieben, die Einsamkeit nach dem Verlust des wichtigsten Menschen verließ einen nie ganz.

Elizabeth schob die Bettdecke bis unters Schlüsselbein.

Während der gestrigen Zeremonie hatte sie sich mit der Gewissheit getröstet, dass Philip immerhin friedlich eingeschlafen war.

»Ich widme mein Leben dir, Lilibet. Dir und der Krone. Du kannst auf mich zählen. Unter allen Umständen.«

»Und du auf mich«, hatte sie am Tag ihrer Verlobung erwidert. Sie hatte gespürt, wie nahe ihr diese Worte gingen, denn ihre Stimme hatte leicht gezittert.

Es hatte viele verbindende Situationen zwischen ihnen gegeben, aber auch viele schwierige. Sie hatten beide Fehler begangen.

Als sie Königin geworden war, hatte sie die Krone an erste Stelle gesetzt, um zu beweisen, dass sie das Zeug zu einer guten Monarchin hatte.

Als ihr schließlich klar geworden war, wie wenig sie für ihre Kinder Charles und Anne da gewesen war, hatte sie realisiert, dass niemand die Zeit zurückdrehen konnte. Auch sie nicht.

Bei den später Geborenen, Andrew und Edward, hatte sie gutzumachen versucht, was sie zuvor versäumt hatte.

...