: Gabriele Diechler
: Ein englischer Sommer Roman
: Insel Verlag
: 9783458740278
: 1
: CHF 18.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 350
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Stow-on-t e-Wold ist ein kleines idyllisches Städtchen in den Cotswolds im Herzen Englands. Hierher verschlägt es die dreißigjährige Annett aus Berlin: Völlig überraschend hat sie ein kleines Hotel geerbt, das ihrer Großmutter gehörte. Beim Anblick der sanft geschwungenen Hügel fühlt sie sich sofort heimisch und beschließt, Berlin hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen: beruflich und auch in der Liebe. Schon bald lernt sie den charmanten Landschaftsarchitekten Edward kennen. Beide fühlen sich zueinander hingezogen, doch Edward scheint zu zögern ...



<p>Gabriele Diechler, in Köln geboren, lebt und arbeitet im Salzkammergut. Nach vielen Jahren als Drehbuchautorin und Dramaturgin widmet sie sich nun hauptsächlich dem Roman und Jugendbuch.</p>

Erster Teil


Tu alles, was du kannst, in der Zeit, die du hast,
an dem Ort, wo du bist!

 

– Nikosi Johnson –

1. Kapitel


Juni 1944 – Altlandsberg, Märkisch-Oderland

 

Catharina öffnet die Flügeltür, die in den Garten führt, und tritt hinaus auf die Terrasse. Der Regen, der die Landschaft seit Stunden hinter einem dichten grauen Vorhang versteckt hat, ist in sanftes Nieseln übergegangen. Sicher wird auch das bald aufhören, denn die Wolken lockern auf, lassen immer mehr blaue Flecken am Himmel sehen. Catharina wagt sich weiter hinaus und steuert die mit Stuck geschmückte Brüstung an. Sie blickt hinunter in den weitläufigen Garten, der langsam aus dem Grau auftaucht. Der Garten war seit jeher Sinnbild von Wohlstand und einer glänzenden Zukunft der Familie von Schülzow. Nun sprießt aus den ehemals penibel gerechten Kieswegen Unkraut, und der Rasen ist schon länger nicht mehr gemäht worden. Vom Baumschnitt ganz zu schweigen. Catharina schüttelt besorgt den Kopf. Das Unkraut wuchert bald alles zu. Doch das ist ihre geringste Sorge.

Seit sie heute Morgen aufgestanden ist, spürt sie ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlagen sich, dazu kommt ein lähmendes Gefühl der Angst. Catharina sorgt sich um ihre Tochter Hetty, die erst vor wenigen Monaten zur Welt gekommen ist. Aber noch mehr sorgt sie sich um Rudolf, ihren Mann, der seinen Dienst am Land ableistet und nach ein paar Tagen Heimaturlaub heute früh wieder abgereist ist.

Beim Frühstück hatte Rudolf ihr überraschend mitgeteilt, dass er wegmüsse. Als ein Auto draußen vorm Eingang hielt, stopfte er die letzten Sachen in seine Tasche und verabschiedete sich mit einem hastigen Kuss von ihr. Seitdem grübelt Catharina darüber nach, was dieser abrupte Aufbruch zu bedeuten hat.

Heute früh wurden sie vom Zwitschern der Vögel geweckt. Im Licht der Dämmerung hatten sie sich aneinandergeklammert, um sich fast ängstlich zu lieben. Und sich ihre Körper und ihr Glück für lange Zeit einzuprägen. Danach zog Rudolf sich mit fahrigen Bewegungen an. Kein Wort darüber, was in den letzten Tagen besprochen wurde, als er mit den Offizieren bis in die frühen Morgenstunden leise murmelnd am großen Tisch in der Bibliothek saß.

Wieso hatte ihr der Mut gefehlt, ihn vor seinem Weggang auf diese Treffen anzusprechen? Sie hält es kaum noch aus, nichts zu wissen, dafür aber von düsteren Vorahnungen geplagt zu werden. Wie lange wird dieser Krieg noch andauern? Irgendwann wird das Land ausgezehrt sein. Überschwemmt von Kriegsveteranen und gebrochenen Frauen, die ihre Männer, Geschwister, Eltern, Kinder und Freunde mit stummen Tränen beweinen. In ihren Träumen sieht sie Blut, überall Blut. Ist nicht längst alles verloren? Rudolfmuss mit ihr reden! Sie ist schließlich seine Frau.

Um ihre trüben Gedanken zu vertreiben, beschließt Cathar