Wir fuhren auf der Florida State Road 886 und steuerten den Port of Miami an. Ich saß neben Mum auf der Rückbank des Taxis und war vor Aufregung ganz hibbelig.
»Gleich geht’s an Bord eines Luxusschiffs. Ich kann’s noch immer nicht glauben«, murmelte ich beglückt vor mich hin.
»Super, dass mein Beruf sich mal für dich auszahlt«, erwiderte Mum. Ihre Stimme strotzte nur so vor Tatendrang.
In ihrem ›Vorleben‹, so nannte Mum es, war sie Chefhostess auf verschiedenen Kreuzfahrtschiffen gewesen und hatte die sieben Weltmeere bereist. ›Vorleben‹, das war die Zeit ab 22 gewesen bis zu dem Moment, als ich mich angekündigt hatte. Von da an hatte meine Mutter nur noch Ersatzdienst geschoben, und auch das erst, nachdem ich eingeschult worden war.
Nun sollte ich erstmals mit auf große Fahrt gehen und ein paar nette Karibikinseln kennenlernen. Grand Turks auf den Turks-Inseln, La Romana in der Dominikanischen Republikund Curaçao und Aruba, ehemals Niederländische Antillen. Und natürlich würde ich auf hoher See sein.
»Glaubst du, ich erkenne dieMSC Harmonysofort? Angeblich baut man ja eine Beziehung zuseinemKreuzfahrtschiff auf, sobald man es zum ersten Mal im Prospekt gesehen hat.« Ich hatte mir vorgenommen, mir auf keinen Fall anmerken zu lassen, dass ich meine erste Kreuzfahrt antrat. Musste ja nicht jeder wissen, dass ich bisher nur bis nach Sylt und Italien, genauer gesagt bis nach Cáorle, gekommen war – und einmal mit der Schule nach London. Mein Vater litt unter Flugangst und Mum hatte bereits die ganze Welt gesehen. Deshalb waren wir als Familie nicht viel herumgekommen.
Ich wollte alles ganz cool und gelassen angehen. Allerdings war ich mir nicht so sicher, ob mir das auch gelingen würde. Meine beste Freundin Inka, die ich zu Hause beinahe täglich sah, behauptete nämlich, ich würde emotional heiß laufen, wenn mich etwas beeindruckte. Und eine Kreuzfahrt in die Karibik gehörte definitiv zu den Dingen, die einen beeindrucken konnten.
Mum deutete auf meine Beine, die aufgeregt hin und her wippten. »Sag mal, bist du so nervös, weil du Angst hast, gleich das falsche Schiff zu besteigen?« Sie lachte vergnügt auf.
Oh, verdammt! Es ging schon los. Mein Körper, besser gesagt meine Beine, gehorchten mir nicht mehr. »Quatsch«, entgegnete ich etwas patziger, als ich gewollt hatte. »Ich hab einfach ’ne Menge Energie.«
»Na dann ist es ja gut«, murmelte Mum und steckte ihre Nase schon wieder in den Reiseführer.
Ich war einerseits froh, dass sie sich nicht länger mit meiner Nervosität beschäftigte – die leider gar nicht cool wirkte –, andererseits aber auch beunruhigt, weil sie den Reiseführer offenbar auswendig lernen wollte.