: Monika Maron
: Das Haus
: Hoffmann und Campe
: 9783455016437
: 1
: CHF 18.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der neue Roman von Monika Maron! Katharina, Tierärztin im Ruhestand, erbt ein abgelegenes Gutshaus nordöstlich von Berlin. Schnell ist die Idee geboren, dort eine Kommune mit Freunden einzurichten, um den steigenden Mietpreisen in Berlin zu entfliehen und im Alter nicht allein zu sein. Bei Eva, Katharinas Freundin, sträubt sich zunächst alles gegen die Vorstellung, mit Menschen jenseits der Sechzig zusammenzuziehen. Doch dann lässt sie sich notgedrungen auf das Experiment ein und akzeptiert einen Neuanfang.  Das Haus ist ein ebenso ergreifender wie weiser Gesellschaftsroman, in dem Monika Maron universelle Themen des Lebens, der Liebe und des Alters neu verhandelt.

Monika Maron, geboren 1941 in Berlin, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern der Gegenwart. Sie wuchs in der DDR auf, übersiedelte 1988 in die Bundesrepublik nach Hamburg und lebt seit 1993 wieder in Berlin. Sie veröffentliche zahlreiche Romane und mehrere Essaybände. Ausgezeichnet wurde sie mit diversen Preisen, darunter der Kleistpreis (1992), der Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Homburg (2003), der Deutsche Nationalpreis (2009), der Lessing-Preis des Freistaats Sachsen (2011) und der Ida-Dehmel-Literaturpreis (2017). Bei Hoffmann und Campe erschienen zuletzt die Erzählung Bonnie Propeller (2020) und der Essayband Was ist eigentlich los? (2021).

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Ich wollte in das Haus nicht einziehen. Schon im Winter hatte Katharina mir von ihrer unverhofften Erbschaft erzählt, ein großes, komplett renoviertes Gutshaus hundert Kilometer nördlich von Berlin, das ihr Vetter Edwin ihr aus nur zu vermutenden Gründen hinterlassen hatte und damit zugleich die schwierige Frage, was sie mit dieser Erbschaft anfangen sollte.

Ich riet ihr, das Haus zu verkaufen, aber Katharina meinte, in dieser gottverlassenen Gegend bekäme man höchstens ein Zehntel dessen, was der Vetter in das Haus schon investiert hätte. Sie erwog, eine Pension für Fahrradtouristen zu eröffnen oder, was ihr Vetter geplant hatte, einen Aufenthaltsort für Künstler, wofür er das Haus eigens umgestaltet hatte mit Bädern an jedem Zimmer oder Apartment und einer großen Küche mit mehreren Kochstellen. Aber weder verspürte sie die Neigung, eine Fahrradpension zu führen, noch ein Künstlerparadies, und so blieb dieses Thema wochenlang Gespräch im Freundeskreis, was aber immer wieder nur zu den gleichen Vorschlägen führte, weil die Möglichkeiten auch an drei Fingern abzuzählen waren und die vierte, Katharina könnte allein in dieses Haus mit zehn oder fünfzehn Zimmern ziehen, absurd war.

Katharina kannte ich, seit ich mir vor zwanzig Jahren meinen ersten Hund angeschafft hatte. Sie arbeitete in der Tierarztpraxis in meiner Nähe, der Hund war infolge einer Borreliose oft krank, und mir gefiel, wie Katharina mit ihm umging, entschlossen, aber niemals grob, wie sie sich freuen konnte an den Eigenarten eines Hundes, auch wenn sie ihr die Arbeit erschwerten. Es sei furchtbar für sie, sagte sie einmal, dass alle Tiere sich vor ihr fürchteten, obwohl sie die Hunde wie die Katzen, sogar die Meerschweinchen liebe und ihnen ja auch nur Gutes tue. Ich weiß nicht mehr genau, wie es kam, dass wir uns befreundeten. Wir gingen manchmal miteinander ins Kino, einmal reisten wir gemeinsam nach Sizilien, weil wir herausgefunden hatten, dass wir beide Sizilien liebten. Inzwischen fiel Katharina mir immer als Erste ein, wenn ich etwas Erfreuliches oder Unerfreuliches zu erzählen hatte, sogar noch vor Sylvie, die ich viel länger kannte.

Es war Anfang Februar bei Sylvies achtundsechzigstem Geburtstag, als morgens zwischen drei und vier wieder einmal die Rede auf Katharinas grandiose Immobilie kam. Wir waren nur noch zu fünft oder sechst, der engste Kreis eben, als Sylvie meinte, wir könnten doch alle zusammen da einziehen. Ich rief gleich: um Gottes willen, aber Sylvie war von ihrem Vorschlag so entzückt, dass sie uns mit vom Alkohol befeuerter Begeisterung ein gemeinsames Leben in einem Schloss auszumalen begann, was mich umso mehr abschreckte. Katharina sah ernst von einer zur anderen und sagte dann mit einem Blick zu mir, den ich als Frage verstand, daran hätte sie auch schon gedacht. Eigentlich sei das sogar ein alter Traum von ihr, für den sie irgendwann nur der Mut verlassen hätte.

Ich beteuerte noch einmal, dass für mich so eine späte, wenn auch luxuriöse Wohngemeinschaft nicht infrage käme, Sylvie jubelte, in dem Gesicht von Michael Jahnke, dessen Freund vor einem Jahr an einem Aneurysma gestorben war, glaubte ich etwas zu erkennen, das Neugier, vielleicht sogar Hoffnung hätte sein können, und Katharinas Gesicht sah ich an, dass in ihr schon die ersten Pläne keimten.

Von diesem Tag an arbeiteten Sylvie und Katharina an dem großen Vorha