: Irene Gysel
: Katharina von Zimmern Flüchtlingskind, Äbtissin, Bürgerin von Zürich
: TVZ Theologischer Verlag Zürich
: 9783290187620
: 1
: CHF 20.00
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 200
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vor 500 Jahren übergab die Äbtissin Katharina von Zimmern das Fraumünsterstift der Stadt Zürich in der Hoffnung, den Frieden zu fördern - und versetzte damit der Reformation einen entscheidenden Schub. Wer war diese bemerkenswerte Frau, die sich mit Weitblick in die Politik von Kirche und Staat einbrachte? Irene Gysel beschreibt ihre Lebensumstände und skizziert anhand historisch belegter Tatsachen ein lebendiges biografisches Porträt von Katharina von Zimmern: einer Frau, deren Familie vor dem Kaiser fliehen musste, die als Mädchen ins Kloster gegeben wurde und als 18­-jährige Chorfrau zur Äbtissin des Fraumünsterstifts gewählt wurde. Als Äbtissin war Katharina von Zimmern viele Jahre verantwortlich für die umfangreiche Wirtschaft der Abtei, für ihre bauliche Ausstattung, aber auch für ihre Chorfrauen, die gelegentlich erheblichen Gefahren ausgesetzt waren und deren Zusammenleben sich nicht immer einfach gestaltete. Nach der Übergabe des Klosters und dessen Ländereien an die Stadt heiratete sie mit 47 Jahren den Söldnerführer Eberhard von Reischach, mit dem sie wohl bereits zu ihrer Klosterzeit eine Tochter hatte, und führte fortan ein Leben als Ehefrau und Mutter, zuletzt als Witwe und Patin in fünf Zürcher Familien. Die von der Autorin neu aufgespürten und neu erschlossenen Dokumente ermöglichen Einblicke in ein faszinierendes Frauenleben und in eine Zeit, die geprägt war von ungeahnten Aufbrüchen.

Irene Gysel, Jahrgang 1949, war Redaktorin bei der «Sternstunde Religion» des SRF und Kirchenrätin der Zürcher Landeskirche. Sie ist Gründerin des St. Anna Forums und war bis 2021 Präsidentin der Stiftung der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich.

Das Flüchtlingskind

Schloss Messkirch (1478–1487)

Bedroht

Katharina von Zimmern war neun Jahre alt, als sie 1487 zusammen mit ihren sieben Geschwistern und ihrer Mutter Margarete von Oettingen vom benachbarten Grafen Hugo von Werdenberg gewaltsam aus dem Schloss Messkirch vertrieben wurde. Der Vater, beim Kaiser in Ungnade gefallen, war bereits geflohen. Die Mutter – mit ihren acht Kindern, mit Hensle, dem unehelichen Sohn ihres Manns und dem leicht behinderten Verwandten Junghans noch im Schloss – widersetzte sich der Ausweisung mit allen Mitteln.

Abb. 1: Stadtansicht von Messkirch, 1575; links neben der Kirche steht das Schloss

Aber ihr Bitten und Flehen, sie mit ihren Kindern im Schloss bleiben zu lassen, half nichts. Graf Hugo gewährte ihr noch eine Frist bis zum Abend. Sie aber sperrte sich mit ihren Kindern ein und verriegelte alle Zugänge zu ihren Gemächern. Da brachen der Graf und seine Leute die Türen auf, drangen mit Gewalt ein, öffneten die Fenster und warfen den ganzen Hausrat in den Schlossgarten – Betten, Tücher, Truhen, alles, was sie in die Hände bekamen. Der mutigen und gleichzeitig verzweifelten Mutter warf er zynisch an den Kopf, was sie denn jetzt hier noch wolle, ob sie vielleicht auf dem Boden schlafen wolle. Wenn sie nicht weiche, werde er sie auf einem Sessel aus dem Schloss tragen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Es wird eine traurige Schar gewesen sein, die nun die verwüsteten Räume verliess. Junghans jedoch hatte sich mit einem Beil in einem Winkel versteckt und wollte den Grafen erschlagen. Er schrie: «Du Bösewicht, willst mir meine liebe Mutter mit Gewalt entführen, du musst sterben!» Mit ihrem beherzten Eingreifen verhinderte Margarete von Oettingen die Bluttat im letzten Augenblick.2

Was war geschehen? Graf Hugo von Werdenberg, Herrscher über das benachbarte Sigmaringen mit seinem imposanten Schloss hoch über der Donau, hatte schon lange ein Auge auf Messkirch geworfen, das sich im Besitz der hochadeligen Freiherren von Zimmern befand. Der Urgrossvater Katharinas hatte das herrschaftliche Schloss und die dazugehörige Schlosskirche um 1400 bauen lassen. Ursprüngliche Heimat der von Zimmern war die Burg Herrenzimmern nördlich von Rottweil. Der Familie wurde nun ein Streit auf höchster politischer Ebene zum Verhängnis. Katharinas Vater, Johann Werner von Zimmern, hatte als einer der mächtigen Räte von Herzog Sigmund von Tirol eine hohe Stellung am Innsbrucker Hof inne. Dem Kreis der «bösen Räte», wie sie nach ihrem Sturz genannt wurden, warf man vor, «landesverräterische Beziehungen zu den beiden Herzögen Albrecht und Georg von Bayern» zu pflegen. Sie hätten zugegeben, dass es besser sei, sämtliche Länder Sigmunds an die Bayern zu übergeben,3 die dann für Kaiser Friedrich verloren gewesen wären. Die Räte hätten Pläne gehabt, den Kaiser zu vergiften. Welche Rolle Katharinas Vater in dem Intrigenspiel zwischen Sigmund und dem Hof Kaiser Friedrichs III. spielte, lässt sich nicht mehr bis ins Letzte ergründen. Ein Auslöser des Konflikts sei die von Herzog Sigmund vermittelte Heiratsabrede der Kaisertochter Kunigunde mit Herzog Albrecht IV. von Bayern gewesen. Friedrich III. habe dieser Heiratsabmachung zunächst zugestimmt, um sie dann aufgrund gewisser Bedenken zu widerrufen. Unterdessen habe der Bote die kaiserliche Zustimmung jedoch bereits überbracht. Der unglückliche Bote sei kein anderer gewesen als Johann Werner von Zimmern, Katharinas Va