: Ilija Trojanow
: Ein Glas voller Zeit Von einem Winzer und seinem Wein
: Residenz Verlag
: 9783701747481
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erleben Sie eine einzigartige literarische Reise durch die Welt des Weins und entdecken Sie neue Perspektiven auf Genuss und Zeit! Ilija Trojanow ist nicht nur literarischer Weltensammler, sondern auch ausgebildeter Sommelier. Die enge Freundschaft mit einem der führenden Riesling-Weinmacher diente als Inspiration für diese Liebeserklärung an den Wein. Was bedeutet es für unsere Kultur, Wein zu trinken? Wein zu trinken ist ein Dialog, antwortet Trojanow. Mit vielen Partnern. Mit der Zeit. Mit dem Boden. Mit einem Winzer oder einer Winzerin. Mit sich selbst und den unausgeloteten Rätseln des eigenen Geschmacks. Weingenuss ist eine höchst individuelle Erfahrung. Für Ilija Trojanow ist Wein eine Entschädigung für die Vertreibung aus dem Paradies. Ilija Trojanow sinniert über Zeit, Terroir, Natur und Kultur, über Kapital, Geschmack, Verkostung und Rausch. Auf poetische Weise nähert er sich dem Geheimnis des Weins.

Ilija Trojanow geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972 zog die Familie weiter nach Kenia. Von 1984 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie in München. 1998 zog Trojanow nach Mumbai, 2003 nach Kapstadt, heute lebt er, wenn er nicht reist, in Wien. Seine Romane wie 'Der Weltensammler' und 'Macht und Widerstand' sind gefeierte Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Residenz Verlag erschien 'Der überflüssige Mensch' (2013) in der Reihe 'Unruhe bewahren' und 'Ein Glas voller Zeit' (2025).

ZEIT


Was trinken wir, wenn wir einen Schluck Wein zu uns nehmen? Zeit. Was schmecken wir? Geschichte. Hunderte Millionen Jahre Erdgeschichte, konzentriert im gegenwärtigen Moment. Mit jedem Schluck ziehen wir Vergangenes ins Augenblickliche. Pablo Neruda dichtete einst: „Nie hattest du Raum genug in einem Glase.“ Zeit ist hingegen reichlich vorhanden in jedem Glas. Wie keine andere menschliche Schöpfung übersetzt Wein die Unverständlichkeit von Zeit in die Sprache unseres Geschmacks.

Welche Zeit? Die versteinerte oder die zyklische? Der Kreislauf der Jahreszeiten, die saisonale Veränderung von Winterschlaf zu Erntedank? Oder die freien Rhythmen im Keller, das Zusammenspiel von Aktion und Geduld, von Eingreifen und Ruhenlassen? Oder die Dauer des Reifens, die Jahre der Lagerung und Erwartung, bis zu jenem Tag, an dem das Verkosten eines älteren Weins sich als Rückblick auf ein bestimmtes Jahr und als Sicht auf die Jahre seitdem erweist, auf den Pfad des Lebens zwischen dem Abfüllen anno dazumal und dem Dekantieren heute?

Von der Biografie zur Geologie. Vom Konkreten zur Abstraktion. Es übersteigt unsere Vorstellungskraft, dass sich vor 400–450 Millionen Jahren im Devon zunächst Ton, Lehm, Sand, Plankton, Asche aus Meeresvulkanen und abgestorbene Korallen am Boden eines Urmeeres ablagerten und vor etwa 325 Millionen Jahren bei der Kollision der Urkontinente Gondwana und Laurussia, als die Sedimente gestaucht, gefaltet und unter Druck und Hitze umgewandelt wurden, eine Schieferstruktur entstand. Der Schiefer verwitterte und wurde zu jenem steinigen Erdboden, der den Riesling inmitten Deutschlands einzigartig macht. Böden sind Zeugen vergangener Epoche