Sammlerstück
Johnny Wallmann
Welcher Narr ist so töricht, zu glauben, das Ende der Welt sei gekommen, nur weil es nach seinen zahlreichen Ankündigungen und anschließend gescheiterten Versuchen erneut einen Anlauf nimmt, um zum großen, endgültigen Schlag auszuholen?
Welcher Narr behauptet, dass die sich stets in Schönfärberei sonnende, nichtsahnend am Rande des Abgrunds taumelnde Menschheit abermals darum bittet, ausgelöscht zu werden?
Nun, diesmal bin ich der Narr.
Aufgewacht aus einem mehrtägigen Koma kämpfte ich mich zurück an die Oberfläche des Bewusstseins und schaffte es, im Krankenhausbett die Augen wieder aufzuschlagen und die ersten Atemzüge in dieser neuen, fremden Welt zu machen, die nicht mehr mit jener alten zu vergleichen war, in der ich meine fast einundsechzig Jahre bis dahin verbracht hatte. Ich wachte also in diesem dämmerig dunklen Krankenhauszimmer auf, allein und verwirrt. Nach und nach kam die Erinnerung zurück, dass ich an einer monströsen Maschine angeschlossen war, die die Sauerstoffzufuhr regulierte, weil ich selbstständig nicht mehr atmen konnte. Die Schläuche, die tief in meinen Rachen geführt hatten, waren inzwischen wieder entfernt worden, genauso wie die Maschine selbst. Ursache für diesen ganzen Schlamassel war ein Virus, das meine Atemsysteme befallen und sich in meine Lungen eingenistet hatte. Ein gottverdammtes Virus aus einem weit entfernten Land, das mit Gott so wenig anfangen konnte wie die Bank mit einer gesperrten Kreditkarte.
Ich saß also auf dem Bett und mir wurde bewusst, das ich es überlebt und dieses vermaledeite Virus besiegt hatte, und eine überschwängliche Euphorie breitete sich in mir aus, ähnlich wie sich das Aroma eines exzellenten Whiskeys im Rachen ausbreitet, den man sich nach einer langen Zeit der Abstinenz gönnt.
Ich stand auf und ging, wenn auch noch ein wenig wacklig auf den Beinen, zum
Kleiderschrank hinüber, um die elendige Patientenkleidung, die wie ein Totenhemd an meinen Knochen herunterhing, loszuwerden und gegen die beige-melierte Bundfaltenhose, das weiße Hemd aus gebürsteter Baumwolle (das durch seine mehrtägige Lagerung in dem engen Schrank arg in Mitleidenschaft gezogen worden war), dem dolomitengrauen Kaschmircardigan und den schwarzen Oxford-Schuhen, die dringend einer Reinigung bedurften, einzutauschen. Wiederhergestellt und gesellschaftsfähig, verließ ich meine vorbehaltliche Grabkammer und ging in den Krankenhausflur, aber ich traf niemanden an; keine von diesen emsigen Schwestern, die noch bei meiner Einlieferung den Flur bevölkert hatten, noch irgendjemanden, der mir an der Rezeption weiterhelfen konnte.
»Hallo.« Meine Stimme hörte sich an wie eine ratternde Fahrradkette, die nicht ordentlich über die Ritzel läuft, also holte ich tief Luft und rief noch einmal.
»HALLO! JEMAND DA?«
Während ich auf eine Antwort wartete, bemerkte ich auf dem Rezeptionstisch einen dieser Abreißkalender. SEI DU SELBST! ALLE ANDEREN SIND BEREITS VERGEBEN, stand dort über Dienstag, dem 3. Oktober. Wenn die Buchführung hier im Krankenhaus ordentlich gemacht und das Datum richtig angezeigt wurde, waren mittlerweile fünf Tage vergangen, seit ich mit akuten Hustenanfällen und hohem Fieber eingeliefert worden war.
Anscheinend wurde ich erhört, denn die Tür hinter der Rezeption, auf der PRIVAT stand, bewegte sich und e