: Wilhelm Krautwaschl
: Die Macht des Vergebens Wie Vergebung unsere Seele befreit
: Edition A
: 9783990018095
: 1
: CHF 17.10
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: Philosophie, Religion
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Entscheidung zur Vergebung verändert unser Leben. Dank ihr blicken wir mit offenem Herzen einer neuen Zukunft entgegen und lassen alte Verletzungen und negative Gefu?hle hinter uns. Mit inspirierenden Geschichten, tiefgehenden Erkenntnissen und praktischen Übungen zeigt dieses Buch, wie Vergebung nicht nur anderen, sondern vor allem uns selbst Frieden schenkt. Es ist eine Anleitung fu?r innere Heilung und ein Leben mit neuer Kraft und Leichtigkeit.

Wilhelm Krautwaschl, geboren 1963, ist Diözesanbischof von Graz-Seckau. In kleinbäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen, studierte er später Theologie an der Universität Graz und trat in das Priesterseminar ein. Gegenu?ber den Medien sprach Bischof Wilhelm wiederholt von einer Öffnung der Kirche gegenu?ber den Menschen, etwa in der Frage, ob Frauen fu?r geistliche Ämter zugelassen werden sollten, oder bei der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.

KAPITEL 3
Die grenzenlose Macht der Vergebung


Als Menschen sind wir endlich. Nicht nur unser Leib, sondern auch unser Verstand. Immer wieder werden wir mit Situationen konfrontiert, die uns unbegreiflich erscheinen, die unser Leben für immer zu bestimmen drohen. Doch wir können aus diesem Schicksal ausbrechen. Wenn wir glauben, an die Grenzen des Ertragbaren zu stoßen, öffnet uns die Vergebung den Raum zu einem neuen Sein.

Im Sommer 2015 schien ich an eine Grenze gestoßen zu sein. Als Prediger bin ich es gewohnt, Worte zu finden, wenn die Trauer unermesslich ist und wir Unbegreifliches irgendwie begreifen müssen. Aber als mich an diesem Tag im Juni 2015 der Pressesprecher unserer Diözese anrief und mir mit zitternder Stimme erzählte, was in Graz passiert war, fiel es mir so schwer wie nie zuvor in meinem Leben, Worte zu finden. Eine Wahnsinnstat, die zutiefst schockiert, so formulierte es der damalige Bundespräsident Heinz Fischer.

Die Sonne schien warm an diesem 20. Juni in Graz, als ein Mann in einem Geländewagen durch die Innenstadt raste. Augenzeugen erinnern sich an schreiende, panische Menschen, die sich hinter Säulen oder in Ladeneingänge flüchteten und Schutz suchten. Mit voller Absicht steuerte der Fahrer das Auto mit über hundert Stundenkilometern haarscharf an Hauswänden vorbei, bretterte über Gehwege und mitten hinein in die belebte Fußgängerzone. Wahllos tötete er bei dieser nur wenige Minuten dauernden Amokfahrt drei Menschen. 36 weitere verletzte er zum Teil lebensgefährlich. Das erste Opfer war eine Frau, direkt vor einem Ladenfenster. Später wird eine Passantin sagen, diese Unbekannte habe ihr unbewusst das Leben gerettet, weil sie der Überlebenden die Möglichkeit gab, noch in einen Hauseingang zu flüchten. Einen fünfjährigen Buben namens Valentin, der mit seinem Vater und einem Freund unterwegs gewesen war, riss der Fahrer vom Fahrrad, das Kind war sofort tot. Ein frisch verheiratetes Paar kam ihm in die Quere, der junge Ehemann überlebte den Zusammenprall nicht. Was uns an solchen Taten wohl besonders mitnimmt, ist die absolute Willkür, mit denen der Täter Menschen das Leben entrissen hat. Wir fragen uns: Wie kann man so etwas nur tun? Was für ein Mensch ist zu so einer Tat fähig? Wir sind nicht nur wütend auf den Täter, sondern auch auf die Welt und vielleicht sogar auf Gott. Wie kann das alles nur so ungerecht sein?

Jenseits der Logik

Am Tag der Tragödie war ich selbst vor Ort, zur Unterstützung des Stadtpfarrpropstes Christian Leibnitz und des ganzen Kriseninterventionsteams, in dem weitere Seelsorger vertreten waren. Oft beschäftigen einen bei solchen Ausnahmevorfällen ganz praktische, profane Dinge. Die Herrengasse war pol