1. KAPITEL
Italien, Piemont, Mai
Der Duft überwältigte sie.
Cynthia stand neben dem zweistöckigen Anwesen und schloss die Augen. Unglaublich, wie intensiv diese Magnolie duftete. Fruchtig, mit einem ganz leichten Anklang von Anis und Flieder. Sie öffnete die Augen wieder und betrachtete den Baum, der sich etwa einhundert Meter schräg hinter dem Haus befand und den sie vom Vorplatz des Hauses aus gut sehen konnte. Er stand in einem parkähnlichen Garten, der mit Marmorbüsten, Sommerhäusern und wilden Rosen ausgestattet war.
Doch all das verblasste im Angesicht dieser Magnolie. Noch nie hatte Cynthia ein so großes, prächtiges, gesundes Exemplar seiner Art gesehen. Ihr Herz schlug schneller, als sie daran dachte, was sie mit der Essenz dieser Blüten für Produkte kreieren konnte. Im Zentrum der neuen Produktlinie würde zweifelsfrei das Eau de Parfum stehen, gewonnen aus der Magnolienessenz, von dem ein einziger Tropfen genügte, um die Trägerin unwiderstehlich und sinnlich duften zu lassen. Natürlich würde der Preis für dieses Parfüm exorbitant hoch sein, und nur ausgewählte Läden durften es verkaufen.
Cynthia wusste genau, wer die exklusiven Magnolien-Produkte nicht verkaufen durfte, und sofort schlug ihr Herz schneller. Schon aus diesem Grund war es unendlich wichtig für sie, dass sie diesen Deal heute abschloss.
„Signora MacCarthy?“
Sie zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte. Schnell drehte sie sich um und ging zurück zum Eingang der orangefarbenen Villa. In ihre Betrachtung des Baumes versunken, hatte sie gar nicht bemerkt, dass eine Frau aus der Tür des Hauses getreten war. Dabei war dieses Treffen mit der Besitzerin der Magnolie eines der wichtigsten ihrer bisherigen Karriere als CEO ihres eigenen Kosmetikunternehmens SkinLove.
„Signora Pellegrino?“ Mit strahlendem Lächeln ging sie auf die Italienerin zu, die in der Eingangstür stand. „Ich freue mich, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen. Mein Name ist Cynthia MacCarthy von SkinLove.“
Giovanna Pellegrinos schwarzes Haar war bereits von grauen Strähnen durchzogen und zu einem geflochtenen Zopf zusammengefasst, der ihr über die Schulter hing. Sie war schlank, trug einen einfachen wadenlangen Baumwollrock, dazu eine passende Bluse, die mit einer Perlenkette geschmückt war. Ein wenig Make-up hätte dem von Natur aus gut proportionierten Gesicht durchaus zum Vorteil gereicht. Cynthia hatte noch nie verstanden, warum es Frauen gab, die freiwillig auf Schminke verzichteten. Mit etwas Grundierung, Rouge und Lippenstift ließ sich bei jeder Frau ihre Einzigartigkeit betonen.
Die Signora nahm Cynthias ausgestreckte Hand und drückte sie kurz. Sie trat zur Seite. „Bitte kommen Sie herein.“
Kurz darauf fand Cynthia sich in einer kleinen Eingangshalle wieder. Der Boden war mit weißen Fliesen ausgelegt, auf denen kostbar geknüpfte Läufer lagen. Kleine antike Tische standen an den Wänden, mehrere Türen führten in Nebenräume und eine geschwungene Treppe in die obere Etage. Signora Pellegrino ging voraus in ein Wohnzimmer, in dem ein Biedermeiersofa mit zwei passenden Sesseln und ein niedriger Tisch aus Rosenholz standen. Die bodentiefen Fenster zeigten in den Garten hinaus, die Fensterläden waren geöffnet worden.
„Nehmen Sie Platz.“ Die Signora deutete auf das Sofa und setzte sich auf einen gegenüberstehenden Sessel.
Ein Hausmädchen kam und stellte Wasser und Espresso vor sie auf den Tisch.
Als sie wieder allein waren, ergriff Cynthia das Wort: „Ich hatte gerade die Gelegenheit, Ihre einzigartige Magnolie zu bewundern. Warum verkaufen Sie erst jetzt die Lizenz für die Essenz der Blüten? Dieser Baum ist prächtig. Sie hätten schon seit Jahr