PROLOG
Es regnete nur selten in Arun.
Aber wenn es einmal anfing, hörte es nicht mehr auf.
Dann öffneten sich sämtliche Schleusen des Himmels, als hätte eine höhere Macht beschlossen, Erdwelt zu ertränken und alles, was darauf kreuchte und fleuchte, gleich mit, samt all dem Dreck, dem Blut, dem Hass und dem verdammten Krieg.
Aber das war ein Irrtum.
Es gab keine höhere Macht, jedenfalls hatte sie sich mir nie vorgestellt. Real war nur der Dschungel, der uns zu allen Seiten umgab; der elende Regen, der schon seit zwei Wochen andauerte und einfach nicht enden wollte; der Morast, in dem wir alle versanken; der erbarmungslose Feind, der irgendwo dort in der grünen Hölle lauerte; und die Angst, die unser ständiger Begleiter war. Und was uns selbst betraf, die Frontschweine der 501. Kompanie, gab es ohnehin keine höhere Instanz als Feldwebel Drachg, einen altgedienten Veteranen der Inselkriege, dessen Wort hier draußen im Dschungel Gesetz war und den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten konnte.
Wir nannten ihn nur schlicht den »Grünen«.
Denn Drachg war ein Ork.
Kein Viertelblut wie ich, sondern ein Unhold aus echtem Tod und Horn, grünhäutig und breitschultrig und mit einem Schädel wie aus Gusseisen. Seine Hauer hatte er spitz zugefeilt, damit sie noch furchterregender wirkten, über sein linkes Auge war eine Klappe genagelt. Ein Eingeborener hatte es während der Inselkriege »gepflückt«, wie Drachg zu erzählen pflegte – der zu einer Schnur geflochtene Skalp des Mannes zierte seither die rechte Schulter seiner Uniform. Er war so hart, wie man nur sein konnte, erbarmungslos gegen jeden, auch sich selbst.
Manchmal verehrten wir ihn, manchmal hassten wir ihn mit jeder Faser unserer Existenz. Drachg nahm das eine wie das andere gleichgültig hin. Ihm war es egal, wie wir über ihn dachten, wenn wir nur unsere Pflicht erfüllten – und er wiederum würde alles tun, um uns dazu zu bringen, selbst wenn er in der Etappe Blutbier für alle spendieren oder uns mit der Peitsche an die Front prügeln musste.
Er war die Art Soldat, die die Regierung brauchte, um diesen elenden Krieg zu gewinnen. Wir waren nur das Werkzeug, das Mittel zum Zweck.
Entbehrlich …
Ich stieß eine Verwünschung aus, als die Zeltbahn über meinem Kopf nachgab und sich ein Wasserschwall auf mich ergoss. Maks Daguras, ein Mensch aus der Gegend von Taik und Gefreiter wie ich, wollte sich ausschütten vor Lachen.
»Tröste dich, Rash«, feixte er, »du bist nicht der Erste, dem es in diesem Krieg nass reingeht.«
»Schnauze, Maks«, beschied ihm Trulberg, ein stämmiger Zwerg aus dem Scharfgebirge. »Untätig rumzusitzen und darauf zu warten, dass die Einaugen kommen, ist auch ohne dein dämliches Gequatsche schon schlimm genug.«
»Ich seh schon, alle sind heute wieder bester Laune.«
Ein dreckbeschmiertes Gesicht tauchte in dem behelfsmäßigen Unterstand auf, den wir uns aus ein paar Zeltplanen gebaut hatten, um wenigstens einen Teil des Regens abzuhalten. Es gehörte unserer Gruppenführerin Shinny Cadura.
Korporal Cadura.
Im Expeditionskorps der Republikanischen Armee von Anwar war es normal, dass Frauen dienten, so wie auch Abkömmlinge sämtlicher Spezies im grünen Drillich der RAEK anzutreffen waren – anders als auf der Gegenseite, die nur reinrassigen männlichen Vertretern ihrer Völker den Zugang zu den Streitkräften gestattete. Was allerdings nicht bedeutete, dass es in der RAEK keine Vorurteile gegeben hätte – wer von Natur aus schmächtig oder kleinwüchsig war oder dem vermeintlich schwac