: Julie Saman
: Doctor Heartless
: MORE by Aufbau Digital
: 9783967973884
: Boston Billionaire Bachelors
: 1
: CHF 4.50
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 431
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Elle möchte alles hinter sich lassen, die schmerzhaften Erinnerungen vergessen und in Boston einen Neuanfang wagen. Doch als sie in ihr neues Zuhause zieht, traut sie ihren Augen kaum: Ihr neuer Nachbar ist niemand anderes als der geheimnisvolle One-Night-Stand, mit dem sie ihr neues Leben begonnen hat. Statt des charmanten Mannes aus der Bar steht nun ein mürrischer, unfreundlicher und unerträglicher Typ vor ihr. 

Es wird noch komplizierter, als Elle erfährt, dass sie auch die neue Lehrerin seiner Tochter ist.

Wird dieser grumpy Single Dad ihr Leben auf eine Weise durcheinanderbringen, die sie nie für möglich gehalten hätte? Eines ist sicher: In dieser neuen Stadt könnte das Abenteuer gerade erst beginnen...



Julie Saman ist USA-Today-Bestsellerautorin und süchtig nach Cola Light, sauren Bonbons und Indie-Rock. Sie flucht viel zu viel (vor allem nach einem Glas Wein) und hat eine Vorliebe für Sarkasmus (zumindest sagen das ihr Mann und ihre Kinder gerne).

 Sie ist vor allem bekannt für ihre witzigen und emotionalen Second Chance Romances mit intelligenten, starken Frauen und sexy Alpha Männern.

Prolog


Elle

Ich kann sie einfach nicht abschütteln. Diese innere Unruhe. Wie ein angsterfülltes Surren nimmt sie von meinem Körper Besitz, lässt mein Herz rasen und meine Muskeln zucken. Ganz so, als hätte ich etwas vergessen. Keine Kleinigkeit. Etwas wirklich Wichtiges.

Der Ofen ist aus. Der Herd auch. Alle Fenster und Türen sind verschlossen. Selbst der verdammte Alarm ist eingeschaltet. Meine Schlüssel sind in meiner Handtasche, und mein Handy hängt an der Steckdose neben meinem Nachttisch. Das kann es also alles nicht sein. Ich habe an alles gedacht. Nichts fehlt oder wurde vergessen und es ist nichts verschwunden.

Und ich bin auch nicht in Gefahr.

Es ist mitten in der Nacht, jedenfalls so gut wie, und ich kann einfach nicht einschlafen. Dieses Gefühl hält mich wach. Lässt mich immer unruhiger werden, während es mein Blut zum Brodeln bringt. Ich atme laut aus, versuche, die Gedanken zu verbannen, die an die Oberfläche drängen.Hör uns zu, verflucht, verlangen sie, und dieses eine Mal gebe ich ihnen nach.

Einige würden es vielleicht Intuition nennen. Andere Gewissen. Für mich ist es die Stimme in meinem Hinterkopf. Mein dämlicher Sensor, und er feuert aus allen Rohren.

Es ist nicht das erste Mal, dass mein Verstand sich einen darauf runterholt, mir zuzubrüllen:Selbst wenn du dir Mühe gibst, könntest du dümmer nicht sein. Nicht sehr nett, aber auch nicht ganz falsch.Wie lange willst du das noch über dich ergehen lassen? Wie oft muss er es noch verbocken oder das Ganze mit einer fadenscheinigen Lüge abtun oder dich behandeln, als wärst du nichts Besseres als eine Kakerlake, auf der er nach Lust und Laune herumtrampeln kann, bevor du endlich genug hast?

Jap, das alles bricht sich heute Abend Bahn. Es gibt kein Halten mehr.

Ein Knurren entkommt mir durch zusammengepresste Lippen, und ich weiß einfach nicht, wen ich lieber schlagen würde, mich selbst oder meinen Ehemann. Ich werfe mich auf den Rücken und starre an die Decke unseres Schlafzimmers, an der der Ventilator seine Kreise zieht und die abgestandene, miefige Luft zirkulieren lässt.

Abgestanden und miefig. Genau wie mein Leben.

Die kühlen Laken – qualitativ hochwertig und eigentlich weich – kratzen unangenehm über meine nackte Haut. Die aus Samt und Seide gefertigte Decke droht, mich zu ersticken. Das Memory-Foam-Kissen fühlt sich an wie ein Backstein. Ich rolle mich wieder herum und betrachte für einen Moment die ruhige Silhouette meines Mannes. Er atmet schwer. Er schnarcht nicht, ist aber auch nicht gerade leise. Sein Atem verrät mir, dass er tief und fest schläft.

Natürlich tut er das. Warum sollte er auch wach liegen? Dafür müsste er ja schließlich ein Herz besitzen oder ein Gewissen oder auch nur einen Scheiß auf jemand anderen als sich selbst geben.

Er war heute Abend bei irgendeinem Charity-Dinner und kam betrunken nach Hause. Normalerweise tut er das nicht. Trinken. Als wir frisch verheiratet waren, hat er damit aufgehört. Doch wenn er es tut, bricht all die Verbitterung aus ihm heraus, die er sonst mit aller Macht vor anderen zu verstecken versucht.

Und ich bekomme sie mit aller Wucht zu spüren.

Er ist nicht so dumm, mit Lippenstift am Kragen oder Parfüm an der Jacke nach Hause zu kommen. Verdammt, ich weiß nicht mal sicher, ob er mich betrügt, aber es würde mich auf keinen Fall mehr schockieren.

»Ich gehe aus unddas erwartet mich, wenn ich nach Hause komme?«, hat er mich angeblafft, während er mich in Yogahose und Oversize-T-Shirt, mit Pferdeschwanz und ungeschminktem Gesicht betrachtet hat. »Kannst du nicht wenigstens versuchen, wie die heiße Frau auszusehen, die ich geheiratet habe, und nicht wie der letzte Dreck?« So ging es weiter, bis er mit einem Glas voll irgendwas in der Hand zu seiner Golfmatte gestürmt ist und ich ins Bett gegangen bin.

Na ja, ich habe zumindest so getan.

Dann kam er herein und hat mich geweckt, mit seinem Mund und seinen Händen und seinem Körper. Ich habe Tausende von Dollar in Therapiestunden investiert, in denen ich dazu überredet wurde, zu bleiben, an meiner Ehe zu arbeiten und meinem Ehemann zu erlauben, Hand an mich zu legen und seinen Schwanz in mich zu stecken, wann immer ihm danach ist.

»Das hält die Leidenschaft am Leben, denn wo es Leidenschaft gibt, gibt es auch Hoffnung«, meinte meine Therapeutin. Und trotzdem rebelliere ich jedes Mal innerlich, wenn er mich berührt. Ich muss dagelegen haben wie ein toter Fisch, denn genauso habe ich mich gefühlt. Tot. Leblos. Seelenlos. Letzteres ist vielleicht das Schlimmste daran. Es gab eine Zeit, in der ich dachte, ich könnte ohne seine Liebe nicht leben. Heute weiß ich, dass seine Liebe eine Waffe war. Eine, mit der er stolz herumgewedelt hat, während er meine besten Stücke wie Jagdtrophäen herumgezeigt und mich mit dem Rest allein gelassen hat. Was ist das für ein Leben, bei dem du auf deine fehlenden Teile und Überreste reduziert wirst?

Ich hasse meinen Mann dafür, in was für eine Frau er mich verwandelt hat, und mich, weil ich es ihm erlaubt habe. Während ich seine reglose Silhouette betrachte, frage ich mich, ob man mich ins Gefängnis stecken würde, wenn ich ihn im Schlaf tötete, oder ob die Jury aus Leidensgenossinnen – die auch von ihren Ehemännern um ihre Seelen beraubt wurden – mich verteidigen würde.Es war doch nur gerecht, würden sie sicher sagen.

Doch in diesem Moment spüre ich gar nichts. Ich bin nicht wütend genug, um ihn umzubringen. Nicht verletzt genug, um zu schreien. Nicht traurig genug, um zu weinen.

Ich fühle mich leer. Seelenlos.

Und mein Ehemann ist vollkommen unbekümmert. Davon überzeugt, dass seine Jagdtrophäe von einer Ehefrau ihn am nächsten Morgen glücklich anlächeln und ihm die Wange küssen wird.

Ich betrachte ihn noch einen Moment länger, dann sage ich zu ihm: »Ich liebe dich nicht mehr. Ich denke, das tue ich schon sehr lange nicht mehr.«

Stille.

Der Mann zuckt nicht einmal mit der Wimper. Vielleicht würde er, wenn es ihn auch nur ein kleines bisschen interessieren würde? Vielleicht würde er dann kämpfen? Nein. Nicht einmal dann.

Ich räuspere mich, hebe die Stimme ein wenig. »Ich will die Scheidung. Eines Tages wirst du mir dafür danken, wenn du eine andere ahnungslose Frau gefunden hast, die du demütigen und zerstören kannst.« Ich schnaube und verdrehe die Augen. Sie tut mir jetzt schon leid. »Ich werde mir Mühe geben, dich nicht zu hassen. Ich werde gegenüber den Klatschblättern und Nachrichtensendern, die an meine Tür klopfen werden, nicht ein böses Wort über dich verlieren. Wir nennen es einfachunüberbrückbare Differenzen, auch wenn wir beide die Wahrheit kennen. Du bist ein Wolf im Schafspelz.« Ich seufze und bin erleichtert, mir das von der Seele geredet zu haben.

Dann klettere ich aus dem Bett und werfe einen Blick auf meinen Wecker. Punkt Mitternacht. Tja, was für ein Zufall! Ich will keinen weiteren Tag in diesem Haus beginnen. Ich will keine einzige Minute mehr in diesem Leben vergeuden. In diesem Bett. Mit diesem Mann.

Wie kann ein Mann, der behauptet, dich zu lieben, dich die ganze Zeit über schlimmer behandeln als den Dreck unter seinen Golfschuhen? Es gab eine Zeit, in der habe ich ihm etwas bedeutet. Ich war alles für ihn, und er hat dafür gesorgt, dass ich das weiß, dass jeder es weiß.

Ich betrete meinen begehbaren Kleiderschrank, nehme eine Reisetasche vom obersten Regalfach und stopfe alles rein, was mir in die Finger kommt. Ich habe absolut keine Ahnung, was ich gerade einpacke, aber egal. Wen kümmert’s? Mich offensichtlich nicht. Schon seit Monaten nicht mehr. Stattdessen habe ich versucht, mein bedeutungsloses Leben mit bedeutungslosem Kram zu füllen, und als der die Leere nicht füllen konnte, habe ich ihn in meinen Schrank gehängt.

Ich starre runter auf meine Tasche und frage mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache.

Weil du nicht obdachlos und nackt enden willst.

Jap, ich schätze, das fasst es ganz gut zusammen.

Mit der vollen Tasche gehe ich zurück ins Schlafzimmer. Ich blicke zu meinem Ehemann hinunter, der noch immer tief und fest...