: Jochen Brunow
: Verdeckte Spuren Kriminalroman
: ars vivendi
: 9783747206577
: 1
: CHF 10.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 321
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zwischen dem Haifischbecken Berlin und der vermeintlichen Idylle Sardiniens: »Brunow erzählt gekonnt davon, dass es in unserer Welt keine unschuldigen Gegenden mehr gibt.« Thomas Wörtche Ex-Polizist Gerhard Beckmann taucht ein in die sardische Kulturlandschaft und kämpft mit den Gespenstern der Vergangenheit Die Chinesin von Jochen Brunow: Im Herbst 2024 monatelang auf der Krimibestenliste von DLF Kultur Ex-Polizist Gerhard Beckmann lebt auf Sardinien mit den quälenden Gedanken an seine tote Frau. Eines Tages trifft er sich mit dem Journalisten David Richter, der eigens aus Berlin angereist ist und Genaueres über Beckmanns vorzeitige Pensionierung erfahren will. Waren dessen Ermittlungen zu Korruption am Flughafen BER zu brisant geworden? Der Besuch des Journalisten scheint schlafende Hunde zu wecken, denn Beckmann wird in seinem Refugium auf der Insel überfallen, und schon bald geht es um Leben und Tod ...

Jochen Brunow, 1950 geboren, studierte in Berlin Germanistik und Publizistik und arbeitete zunächst als Filmkritiker. Er schrieb Drehbücher, u. a. für die Kinofilme Berlin Chamissoplatz (1980) und System ohne Schatten (1983). Brunow gehört zu den Gründern des Berufsverbandes der Drehbuchautoren und leitete die Drehbuchakademie der dffb Berlin.

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Eine unbestimmte Unruhe hatte Gerhard Beckmann aus seinem Refugium auf die abgelegenen Landstraßen im Inneren der Insel getrieben. Die Stille war groß in den Bergen von Sardinien. Sie hatte eine Ausdehnung, hatte Struktur und Masse. Die Stille war lebendig, sie wohnte im gleißenden Licht der Sonne. Aus dieser Stille kamen die Geschichten der sardischen Erzähler, und diese Geschichten retteten vor ihr. Ihnen lauschte Beckmann gerne, wenn sich auf seinen Touren ins dünn besiedelte Inselinnere die Alten auf dem Platz vor der örtlichen Kirche im Schatten der Platanen begrüßten: »Mögest du hundert Jahre alt werden.« Und das Gegenüber erwiderte: »Mögest du sie zählen.«

Er selbst mit seinen einundsechzig Jahren fühlte sich jung, wenn er die Männer in den steifen Joppen mit den zerfurchten Gesichtern in einer der vier sardischen Sprachen reden hörte.

Die Stille der Landschaft war beinahe gewalttätig, sie konnte einen Menschen förmlich erschlagen. Sie konnte ihm den Geist verwirren, ihm den Verstand rauben, sodass er fehltrat und vom Felsen fiel. Sein Freund Lorenzo Farini, Maresciallo der Carabinieri in Porto San Paolo, hatte ihm davon erzählt; davon, wie im Licht der Dämmerung die Berge begannen, sich zu bewegen, die Trekkingtouristen sich verliefen und heillos verirrten.

Die Straße, der er folgte, war kaum befahren, schon länger war ihm kein Fahrzeug entgegengekommen.

Beckmann suchte den dreitausend Jahre alten Olivenbaum, der hier in den Bergen der Gallura irgendwo stehen sollte. Er verließ die SP 136 hinter Calangianus Richtung Lago di Liscia. Still standen die Korkeichenwälder. Der nackte, ochsenblutfarbene Stamm eines Baums leuchtete wie eine Wunde im Grün des Hains. Die Reifenstollen des mehr als zwanzig Jahre alten Range Rovers gruben sich in den Schotter einer schmalen Parkbucht. Die leere Mineralwasserflasche rollte vom Beifahrersitz.

Steil stieg der Hang rechts von ihm an. Skurrile Felsfor