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Handelsrecht ist das Sonderprivatrecht der Kaufleute.[1] Dies bedeutet zweierlei: Es istTeil des Privatrechts, obwohl es vereinzelt auch öffentlich-rechtliche Vorschriften, so zum Handelsregister in §§ 8 ff. HGB, enthält. Als Teil des Privatrechts ist es gleichzeitigSonderprivatrecht, weil Normadressaten des Handelsrechts nur Kaufleute sind.
Als Sonderprivatrecht ist das Handelsrecht nicht vollständig eigenes Recht, sondern enthält spezielle Vorschriften im Hinblick auf diejenigen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Daher gilt das allgemeine bürgerliche Recht subsidiär, insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch dann, wenn das Handelsrecht keine eigenen Regeln getroffen hat.
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Das Sonderprivatrecht für Kaufleute ist notwendig, weil die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches den Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs nicht ausreichend Rechnung tragen. So dient das Handelsgesetzbuch
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derBerücksichtigung von Handelsbräuchen, insbesondere aus vorkodifikatorischer Zeit (§ 346 HGB),
derFlexibilität und Schnelligkeit bei Handelsgeschäften durch eine erweiterte Formfreiheit (§ 350 HGB) bis hin zur Bedeutung des Schweigens als Zustimmung,[2] kurze Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten (§ 377 HGB) und kurze Fristen bei der Verwertung (§ 368 HGB),
Die Bürgschaft eines Kaufmanns ist nach § 350 HGB formlos möglich, während die private Bürgschaft nur in schriftlicher Form gültig ist (§ 766 S. 1 BGB).
der besonderenRechtsklarheit und Rechtssicherheit, etwa durch den Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis (§ 366 HGB)[3] und durch strenge Rechtsfolgen beim Fixgeschäft (§ 376 HGB),
der Betonungeigenverantwortlichen Handelns, etwa durch Regelungen zu erhöhten Sorgfaltspflichten nach § 347 HGB gegenüber denen einer Privatperson gemäß § 276 BGB, Vertragsstrafen ohne richterliche Korrektur der Höhe (§ 348 HGB statt § 343 BGB), dazu zählt auch, dass der Kaufmann nicht wie der private Bürge die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) hat, also die Befriedigung des Gläubigers nicht verweigern kann, solange dieser nicht erfolglos eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner versucht hat (§ 349 HGB),
schließlich demPrinzip der Entgeltlichkeit auch ohne ausdrückliche Vereinbarung (§ 354 HGB) einschließlich eines höheren Zinses (§ 352 HGB statt § 246 BGB) und Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB).
Diese Grundsätze prägen das gesamte Handels- und weitestgehend auch das Gesellschaftsrecht (vgl. dazuTeil 2 Rn. 200 ff.).