: Georg Trakl
: André Hoffmann
: Dichtungen
: Andhof
: 9783736429857
: 1
: CHF 1.80
:
: Lyrik
: German
: 120
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Dichtung Georg Trakls gehört zu den eindrucksvollsten Werken der expressionistischen Lyrik. Seine Verse sind von einer tiefen Melancholie durchzogen, getragen von visionären Bildern des Verfalls, der Einsamkeit und der Vergänglichkeit. In ihnen verbinden sich düstere Landschaften mit leuchtenden Farben, sakrale Stille mit verstörender Unruhe. Trakl entwarf eine eigene poetische Welt, in der Blau, Violett und Schwarz zu Sinnbildern der Seele werden, und erschuf so eine einzigartige, fast musikalische Sprache, die weit über das Konkrete hinausweist. Seine Gedichte sind geprägt von einer tiefen existenziellen Zerrissenheit. Trakl, der in seinem kurzen Leben unter persönlichen Dämonen litt - Drogenabhängigkeit, innere Einsamkeit und der Schrecken des Ersten Weltkriegs -, verwandelte seine Ängste und Visionen in eine Lyrik von außergewöhnlicher Intensität. Besonders in Werken wie Grodek, Verfall oder Sebastian im Traum spiegelt sich das Ringen mit einer düsteren, oft apokalyptischen Welt. Trotz ihrer Schwere besitzen seine Gedichte eine unvergleichliche Schönheit. Sie sind geprägt von einer fast traumhaften Symbolik, die Natur, Stille und Tod in eine berührende Einheit bringt. Sein Werk ist nicht nur Ausdruck persönlicher Qual, sondern auch ein literarisches Zeugnis einer Epoche, die von Umbrüchen und Krisen geprägt war. Seine Dichtung fasziniert bis heute - sie berührt, verstört und hinterlässt Spuren in der Seele des Lesers: Die schöne Stadt, Verfall, Musik im Mirabell, Frauensegen, Die schöne Stadt, In einem verlassenen Zimmer, Der Gewitterabend, Geistliches Lied, Kleines Konzert, Im roten Laubwerk voll Gitarren, Melancholie des Abends, Heiterer Frühling, Der Spaziergang, Seele des Lebens, Kleines Konzert, Romanze zur Nacht, Abendmuse, Winkel am Wald, Verklärter Herbst, Die Bauern, Die Raben, Im Winter, Die Bauern, Im Herbst, Die Ratten, Die junge Magd, Traum des Bösen, Rondel, Allerseelen, Winterdämmerung, Traum des Bösen, Melancholie, In den Nachmittag geflüstert, In ein altes Stammbuch, De Profundis, Vorstadt im Föhn, Menschliches Elend, Psalm, Verwandlung, Dämmerung, Trübsinn, De Profundis, Trompeten, Menschheit, Drei Blicke in einen Opal, Im Dorf, Zu Abend mein Herz, Ein Herbstabend, Rosenkranzlieder, An die Schwester, Nähe des Todes, Amen, Im Dorf, Abendlied, In der Heimat, Nachtlied, Helian, Zweiter Teil, Sebastian im Traum, Im Park, Untergang, An den Knaben Elis, Elis, Nachts, Stundenlied, Unterwegs, Kindheit, Sebastian im Traum, Landschaft, Am Moor, Ruh und Schweigen, Im Frühling, Abend in Lans, Am Mönchsberg, Hohenburg, Kaspar Hauser Lied, Der Herbst des Einsamen, Die Verfluchten, Sonja, Entlang, Der Herbst des Einsamen, Herbstseele, Afra, Ein Winterabend, Siebengesang des Todes, Verwandlung des Bösen, Karl Kraus, An die Verstummten, Anif, An einen Frühverstorbenen, Geistliche Dämmerung, Geburt, Abendländisches Lied, Siebengesang des Todes, Der Wanderer, Verklärung, Die Sonne, Passion, Föhn, Frühling der Seele, Im Dunkel, Winternacht, Dritter Teil, Traum und Umnachtung, Gesang des Abgeschiedenen, In Venedig, Sommer, Sommersneige, Jahr, Abendland, Gesang einer gefangenen Amsel, Vorhölle, Gesang des Abgeschiedenen, Das Herz, Der Schlaf, Das Gewitter, Die Schwermut, Die Heimkehr, Der Abend, Die Nacht, Offenbarung und Untergang, In Hellbrunn, Klage, Nachtergebung, Offenbarung und Untergang, Im Osten, Klage, Grodek.

Georg Trakl (1887-1914) gehört zu den faszinierendsten und zugleich tragischsten Figuren der deutschen Literaturgeschichte. Geboren in Salzburg, wuchs er in einem von Konflikten und innerer Zerrissenheit geprägten Umfeld auf. Früh zeigte sich sein außergewöhnliches Talent zur Dichtung, doch auch eine tief sitzende Melancholie und eine Neigung zu Depressionen prägten sein Leben. Diese inneren Dämonen spiegeln sich in seinen Gedichten wider, die von einer intensiven, oftmals düsteren Bildsprache durchzogen sind. Er war ein Kind des fin de siècle, einer Zeit des Umbruchs, der Ängste und der Desillusionierung. Schon als junger Mann kämpfte er mit psychischen Problemen und einer zunehmenden Sucht nach Drogen. Diese Zerbrechlichkeit verband sich mit seiner tiefen Verbundenheit zur Kunst und zur Symbolik der Natur. Der Erste Weltkrieg, an dem Trakl als Sanitäter teilnahm, markierte einen Wendepunkt in seinem Leben und Werk. Die Kriegserfahrungen, gepaart mit seiner inneren Zerrissenheit, führten zu einem geistigen Zusammenbruch, der in seinem frühen Tod 1914 gipfelte. Obwohl sein Werk zu seinen Lebzeiten kaum Beachtung fand, gehört Trakl heute zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Expressionismus. Mit den oben genannten Gedichten schuf er Werke, literarische Meisterleistungen als tiefgründige Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz und der Zerstörungskraft des Krieges. Trakl erlangte posthum Berühmtheit und beeinflusste zahlreiche Dichter und Denker. Seine Dichtungen sind eine Suche nach Schönheit im Verfall, nach Erleuchtung inmitten des Chaos - und sie hinterlassen auch heute noch einen bleibenden Eindruck in der Literaturwelt.

ERSTER TEIL


 

 

DIE SCHÖNE STADT


 

 

VERFALL

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

 

 

MUSIK IM MIRABELL

Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn
Im klaren Blau, die weißen, zarten.
Bedächtig stille Menschen gehn
Am Abend durch den alten Garten.

Der Ahnen Marmor ist ergraut.
Ein Vogelzug streift in die Weiten.
Ein Faun mit toten Augen schaut
Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.

Das Laub fällt rot vom alten Baum
Und kreist herein durchs offne Fenster.
Ein Feuerschein glüht auf im Raum
Und malet trübe Angstgespenster.

Ein weißer Fremdling tritt ins Haus.
Ein Hund stürzt durch verfallene Gänge.
Die Magd löscht eine Lampe aus,
Das Ohr hört nachts Sonatenklänge.

 

 

FRAUENSEGEN

Schreitest unter deinen Frau'n
Und du lächelst oft beklommen:
Sind so bange Tage kommen.
Weiß verblüht der Mohn am Zaun.

Wie dein Leib so schön geschwellt
Golden reift der Wein am Hügel.
Ferne glänzt des Weihers Spiegel
Und die Sense klirrt im Feld.

In den Büschen rollt der Tau,
Rot die Blätter niederfließen.
Seine liebe Frau zu grüßen
Naht ein Mohr dir braun und rauh.

 

 

DIE SCHÖNE STADT

Alte Plätze sonnig schweigen.
Tief in Blau und Gold versponnen
Traumhaft hasten sanfte Nonnen
Unter schwüler Buchen Schweigen.

Aus den braun erhellten Kirchen
Schaun des Todes reine Bilder,
Großer Fürsten schöne Schilder.
Kronen schimmern in den Kirchen.

Rösser tauchen aus dem Brunnen.
Blütenkrallen drohn aus Bäumen.
Knaben spielen wirr von Träumen
Abends leise dort am Brunnen.

Mädchen stehen an den Toren,
Schauen scheu ins farbige Leben.
Ihre feuchten Lippen beben
Und sie warten an den Toren.

Zitternd flattern Glockenklänge,
Marschtakt hallt und Wacherufen.
Fremde lauschen auf den Stufen.
Hoch im Blau sind Orgelklänge.

Helle Instrumente singen.
Durch der Gärten Blätterrahmen
Schwirrt das Lachen schöner Damen.
Leise junge Mütter singen.

Heimlich haucht an blumigen Fenstern
Duft von Weihrauch, Teer und Flieder.
Silbern flimmern müde Lider
Durch die Blumen an den Fenstern.

 

 

IN EINEM VERLASSENEN ZIMMER

Fenster, bunte Blumenbeeten,
Eine Orgel spielt herein.
Schatten tanzen an Tapeten,
Wunderlich ein toller Reihn.

Lichterloh die Büsche wehen
Und ein Schwarm von Mücken schwingt,
Fern im Acker Sensen mähen
Und ein altes Wasser singt.

Wessen Atem kommt mich kosen?
Schwalben irre Zeichen ziehn.
Leise fließt im Grenzenlosen
Dort das goldne Waldland hin.

Flammen flackern in den Beeten.
Wirr verzückt der tolle Reihn
An den gelblichen Tapeten.
Jemand schaut zur Tür herein.

Weihrauch duftet süß und Birne
Und es dämmern Glas und Truh.
Langsam beugt die heiße Stirne
Sich den weißen Sternen zu.

 

 

DER GEWITTERABEND

O die roten Abendstunden!
Flimmernd schwankt am offenen Fenster
Weinlaub wirr ins Blau gewunden,
Drinnen nisten Angstgespenster.

Staub tanzt im Gestank der Gossen.
Klirrend stößt der Wind in Scheiben.
Einen Zug von wilden Rossen
Blitze grelle Wolken treiben.

Laut zerspringt der Weiherspiegel.
Möven schrein am Fensterrahmen.
Feuerreiter sprengt vom Hügel
Und zerschellt im Tann zu Flammen.

Kranke kreischen im Spitale.
Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.
Glitzernd braust mit einem Male
Regen auf die Dächer nieder.

 

 

GEISTLICHES LIED

Zeichen, seltne Stickerei'n
Malt ein flatternd Blumenbeet.
Gottes blauer Odem weht
In den Gartensaal herein,
Heiter ein.
Ragt ein Kreuz im wilden Wein.

Hör' im Dorf sich viele freun,
Gärtner an der Mauer mäht,
Leise eine Orgel geht,
Mischet Klang und goldenen Schein,
Klang und Schein.
Liebe segnet Brot und Wein.

Mädchen kommen auch herein
Und der Hahn zum letzten kräht.
Sacht ein morsches Gitter geht
Und in Rosen Kranz und Reihn,
Rosenreihn
Ruht Maria weiß und fein.

Bettler dort am alten Stein
Scheint verstorben im Gebet,
Sanft ein Hirt vom Hügel geht
Und ein Engel singt im Hain,
Nah im Hain
Kinder in den Schlaf hinein.

 

 

KLEINES KONZERT


 

 

IM ROTEN LAUBWERK VOLL GITARREN

Im roten Laubwerk voll Gitarren
Der Mädchen gelbe Haare wehen
Am Zaun, wo Sonnenblumen stehen.
Durch Wolken fährt ein goldner Karren.

In brauner Schatten Ruh verstummen
Die Alten, die sich blöd umschlingen.
Die Waisen süß zur Vesper singen.
In gelben Dünsten Fliegen summen.

Am Bache waschen noch die Frauen.
Die aufgehängten Linnen wallen.
Die Kleine, die mir lang gefallen,
Kommt wieder durch das Abendgrauen.

Vom lauen Himmel Spatzen stürzen
In grüne Löcher voll Verwesung.
Dem Hungrigen täuscht vor Genesung
Ein Duft von Brot und herben Würzen.

 

 

MELANCHOLIE DES ABENDS

– Der Wald, der sich verstorben breitet –
Und Schatten sind um ihn, wie Hecken.
Das Wild kommt zitternd aus Verstecken,
Indes ein Bach ganz leise gleitet

Und Farnen folgt und alten Steinen
Und silbern glänzt aus Laubgewinden.
Man hört ihn bald in schwarzen Schlünden –
Vielleicht, daß auch schon Sterne scheinen.

Der dunkle Plan schein