Samstag7
Am Samstagmorgen war Wyss kaum im Büro, um sich auf die Einvernahme von Frau Tschudi vorzubereiten, die kurz vor elf in Basel eintreffen würde, als ein Anruf von der Pforte kam. »Eine Frau Widmer möchte dich sprechen.«
»Was macht die an einem Samstag hier?!«
»Kai Ahnig! Holst du sie ab?«
Verena Widmer trug heute ein luftiges Leinenkleid und eine große Basttasche, als wolle sie ins Strandbad, doch Wyss wusste genau, dass sie shoppen ging. Wyss führte sie in den Besprechungsraum und stellte eine Flasche Mineralwasser hin. »Frau Widmer, was kann ich für Sie tun? Ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
»Ich bin hier, weil ich sicherstellen will, dass Sie eine ordentliche Mordermittlung führen!«
»Frau Widmer, ich kann Ihnen versichern, dass …«
»Ich weiß, wie schnell so etwas ad acta gelegt wird und ein Mörder ungeschoren davonkommt, das können Sie mir glauben!«
Wyss betrachtete die selbstgewisse alte Dame und verkniff sich jede Regung. »Ich versichere Ihnen, dass nichts ad acta gelegt wird, bevor nicht alle Spuren ausgewertet und alle Umstände geklärt sind, die zu Roger Tschudis Tod geführt haben.«
»Das will ich hoffen, junge Frau, das will ich hoffen! Sind Sie überhaupt befugt, eine solche Ermittlung zu führen? Wo ist denn Ihr Kollege?« Frau Widmer bemerkte ihren Lapsus und fügte an: »Sie sind sehr jung!«
Wyss hatte das Bedürfnis, mal etwas klarzustellen. »Kommissär Leuenberger ist mir unterstellt und befasst sich im Augenblick mit den Finanzen von Herrn Tschudi. Wir tun alles, um die Umstände von Herrn Tschudis Tod aufzuklären, machen Sie sich keine Sorgen. Aber jetzt sollte ich an meine Arbeit zurückkehren. Sie erlauben, dass ich Sie nach unten begleite?« Dann schob sie ihren Stuhl zurück, und Verena Widmer hob mahnend den Zeigefinger: »Finden Sie seinen Mörder, junge Frau, finden Sie seinen Mörder!«
Zurück im Büro traf sie Leuenberger an, der die Dokumente durcharbeitete, die die Forensik in Roger Tschudis Haus sichergestellt hatte. Kontoauszüge, Rechnungen und diverse andere Unterlagen, aber kein Testament und keine Patientenverfügung. Dafür die Anschrift eines Notars in seinem Adressbüchlein.
»Irgendetwas Interessantes?«
»Nein. Nicht wirklich«, antwortete Leuenberger. »Du hattest recht. Tschudis Finanzen waren nicht so rosig, wie seine Bekannte glaubte. Es reichte gerade so für einen bescheidenen Lebenswandel. Das Häuschen in der Lage dürfte allerdings einiges wert sein. Ein Testament habe ich noch nicht, aber ich habe den Notar aus Tschudis Adressbuch angeschrieben. Roger Tschudi stammt ursprünglich aus dem Toggenburg und hatte keine Kinder. Keine legitimen zumindest. Was allfällige Verwandtschaft angeht, ist ein Kollege noch dran. Was wollte eigentlich Frau Widmer?«
»Sie musste noch einmal betonen, dass ihr Bekannter ermordet wurde. Und sie wolltedich sprechen. Ich fahre gleich noch mal ins Haus. Vielleicht kennt ihn jemand aus der Nachbarschaft näher.«
»Mach das. Ich bleibe so lange an dem hier dran. Wenn Frau Tschudi kommt, rufe ich dich an.«
Die Hitze war jetzt schon wieder unerträglich. Die Sonne brannte heiß auf den dürstenden Rasen, den keiner mehr sprengte. Wyss betrat das Haus und schloss behutsam die Tür hinter sich. Drinnen war es extrem stickig, es roch ungelüftet und staubig. Ein Hauch Rasierwasser? Mit allen Sinnen spürte sie den Schw